Online-Herbsttagung Mathe für alle 2021: „Wir haben uns aus der Ferne wunderbar ausgetauscht.“

Vom Bodensee bis Berlin: Die Herbsttagung „Mathe für alle“ des Instituts für Mathematische Bildung der Pädagogischen Hochschule Freiburg im Rahmen von FACE fand 2021 zum zweiten Mal online statt. Rund 240 interessierte Lehrkräfte und Multiplikatoren*innen aus verschiedenen Schularten, Bundesländern und Bildungsinstitutionen kamen im digitalen Raum zusammen.

Über einen Zeitraum von acht Wochen im Oktober und November 2021 bot die Onlinetagung ein abwechslungsreiches Programm mit zwei Eröffnungsvorträgen und zwölf Workshops. Eingeladen waren Lehrkräfte für Mathematik aller Schularten der Primarstufe und der Sekundarstufen I und II sowie Multiplikator*innen, Lehrkräfte-ausbilder*innen, Referendar*innen und Studierende.

Eröffnungsvorträge

Prof. Dr. Christoph Selter der TU Dortmund stellte in seinem Online-Live-Vortrag das formative Assessment als ein Werkzeug vor, um die Leistungen der Lernenden anhand von Diagnoseaufgaben und Standortbestimmungen zu ermitteln mit dem Ziel, den Unterricht auf Basis dieser Ergebnisse lernförderlicher zu gestalten. Die Teilnehmenden schätzen die in den Vortrag eingebauten „Haltestellen“ und “die vielen Praxisbeispiele”.

Gibt es Kontinent-übergreifende Qualitätsmerkmale für den Mathematikunterricht? Dieser Frage widmete sich Prof. Dr. Eckhard Klieme (DIPF Frankfurt) im zweiten Hauptvortrag und lieferte für viele Teilnehmende „überraschende, neue Erkenntnisse“. Anhand einer Studie warf er einen Blick auf verschiedene Kulturen des Mathematikunterrichts in Europa, Asien und Lateinamerika, in denen das Thema „quadratische Gleichungen“ im Unterricht eingeführt wurde. Prof. Dr. Eckhard Klieme zeigte daran die Grenzen von internationalen Schulleistungsstudien wie PISA und TIMSS auf. Ein Ergebnis der Studie ist: Einflüsse des Unterrichts fallen kulturell unterschiedlich aus.

Workshops

In den Workshops war digitale Medien ein zentrales Thema: Die Teilnehmenden beschäftigten sich mit Erklärvideos, mit 3D-Druck im Mathematikunterricht, mit digitalen Medien zur Förderung des räumlichen Vorstellungsvermögens und digitalen Escape-Rooms.

Weiterhin ging es um neue Formen der Lernbegleitung, um Zehnerfeldkarten, um flexibles Multiplizieren und Dividieren und Mehr. „Besonders hilfreich“ – so ein*e Teilnehmer*in zum Workshop „Lernbegleitung in der Grundschule neu denken“ – sind die „Aha-Momente, die aus dem eigenen Tun entstehen. Es war eine ausgesprochen aktivierende Veranstaltung.“


In dem gemeinsamen Panel mit „Deutsch für alle“ wurde der Frage nachgegangen, „was bleibt? – Welche Unterrichtsformate sind während der Pandemie entstanden und können sich als feste Bestandteile etablieren?“ Das Thema wurde laut Teilnehmenden „von vielen Seiten beleuchtet und diskutiert.“


„Mal was anderes“ war aus Sicht eines/r Teilnehmenden der kurzweilige Workshop „Mathe vor Mitternacht“, der die Lehrkräfte mit entspannender Musik auf nächtliche Beobachtungen und Erlebnisse einstimmte.

Online goes on: „Wir haben uns aus der Ferne wunderbar ausgetauscht“

Sowohl die Referent*innen als auch die Teilnehmenden haben sich aufgrund der pandemiebedingten Fernlehre zu digitalen Könnern entwickelt: Chatfunktionen, Breakout-Rooms und digitale Pinnwände sind kein Neuland mehr. Die Kommunikation ändert sich, bleibt aber keinesfalls aus. Der Austausch im Plenum und die Gruppenarbeitsphasen war für viele Teilnehmende ein wesentlicher gewinnbringender Faktor. Die Nähe zu den Teilnehmenden ist zum Teil auch in der Distanz gelungen: „Es war ein sehr empathisches ‚Mitnehmen‘ der Teilnehmenden und das ist in diesen digitalen Formaten durchaus eine besondere Sache, wenn es gelingt.“

Nichtsdestotrotz wünschen sich viele Teilnehmenden auch wieder Präsenz-Veranstaltungen. Diese schaffen aus Sicht der Lehrkräfte mehr Nähe in Diskussionen. Für einige Teilnehmende gilt jedoch: „Nur durch den Online-Charakter war eine Teilnahme für mich überhaupt möglich!“Solche bereichernden Vorträge online zu hören ohne langen Anfahrtsweg … ist eine sehr wertvolle Art der Fortbildung“.

Im Vergleich zu Präsenz-Veranstaltungen wurde gemäß der Selbsteinschätzung der Teilnehmer*innen auch nicht weniger gelernt – manchmal sogar mehr. Die Teilnehmenden empfanden es als praktisch, unmittelbar Links zu den empfohlenen Websites, Tools und Online-Materialen zu erhalten. Bezüglich der Frage, ob unter den Online-Formaten Live-Vorträge oder aufgezeichnete Videos präferiert werden, entschieden sich die meisten für Live-Vorträge: Das erleichtere die Selbstorganisation, erhöhe die Verbindlichkeit und vor allem sind nur im Live-Format Austausch und Nachfragen möglich. Einige wünschen sich zusätzlich eine Aufzeichnung der Veranstaltung: „Das hat den Vorteil der Nachbereitung und des individuellen Tempos“.

Teilnahme-Verhalten: die Schwelle sowohl zur Anmeldung als auch zum Nicht-Erscheinen ist niedrig.

 Im Zuge der Organisation von Online-Veranstaltungen bemerken wir eine Tendenz im Verhalten der Teilnehmenden, die sich auch bei „Mathe für alle“ deutlich zeigte: Mit einer Gesamtzahl von 345 Angemeldeten war die Resonanz größer als bei einer Präsenztagung. Die „no-show-rate“, also die Personen, die unabgemeldet nicht teilnehmen, ist auch höher: bei Mathe für alle 2021 waren es 237 Personen (69 %), die tatsächlich teilgenommen haben. Für die einzelnen Workshops ergab sich eine Quote von durchschnittlich 40 % der tatsächlichen Teilnahme.

Schlimm ist das im virtuellen Raum nicht, denn mit diesem Wissen sind wir dazu übergegangen, die Workshops um ca 120% zu „überbuchen“, um dann bei einer angemessenen Teilnehmer*innen-Zahl pro Workshop zu landen. Da tatsächlich für die Personen weder Räume geheizt oder Stühle gerichtet sind noch Kaffee gekocht ist, gibt es nicht viele verschwendete Ressourcen.

Online-Angebote sind außerdem stärker einer „Abstimmung mit Füßen“ ausgesetzt als Präsenzveranstaltungen: einen Präsenz-Workshop verlasse ich in der Regel nicht so leichtfüßig wie eine Online-Veranstaltung, wenn sich für mich während des Workshops nicht der erwartete Nutzen einstellt. Errechnet haben wir daher auch die „Abbruchquote“, d.h. wie viele Personen waren über den gesamten Zeitraum eines einzelnen Workshops anwesend, wie viele stiegen früher aus? Dabei zeigt sich, dass im Schnitt 85% der Teilnehmenden über die meiste oder ganze Zeit der Vorträge und Workshops dabei waren – was für viele „fesselnde“ Workshops spricht. Die Zahlen der einzelnen Workshops liegen dabei zwischen 60% und 98% und stellen für die jeweiligen Referent*innen neben der Evaluation eine wichtige Feedbackgröße dar.

Wir hoffen, dass die Teilnehmenden bei „Mathe für alle“ – wie übrigens auch bei der parallel erstmals durchgeführten Veranstaltung „Deutsch für alle“ – für ihre Unterrichtsgestaltung inspiriert wurden und die eine oder andere Idee in den Schulen umsetzen können. Und wir freuen uns darüber, mit „Mathe für alle“ und „Deutsch für alle“ einen Beitrag zu dem Auftrag zu leisten, das in den Hochschulen entstehende fachdidaktische Wissen für die Praxis fruchtbar zu machen.

Wie „Mathe für alle“ 2022 aussehen wird, werden wir in den kommenden Monaten ausknobeln – auf jeden Fall freuen wir uns schon wieder auf den nächsten anregenden Austausch im Herbst 2022!