Kurzbericht zur Evaluation zur ersten Umsetzung des Orientierungspraktikums (OSP) Wintersemester 2015/16

Zum Wintersemester 2015/16 wurde das Lehramtsstudium in Baden-Württemberg auf die Bachelor-Master-Struktur umgestellt. Im Rahmen dieser Umstellung ist für alle Lehramtsstudierenden im polyvalenten Zwei-Hauptfächer-Bachelorstudiengang ein dreiwöchiges Orientierungspraktikum (OSP) an einem Gymnasium in Baden-Württemberg verbindlich vorgeschrieben, das von den jeweiligen Universitäten begleitet wird.

Das OSP ist Bestandteil des Moduls Bildungswissenschaften und besteht aus einer Vorlesung („Einführung in die Bildungswissenschaften“), dem Praktikum sowie einem Vor- und Nachbereitungsworkshop. Das gesamte Modul zielt auf eine bessere Verzahnung von universitärer Ausbildung und Praxisphasen in der Lehrerausbildung ab, um so einen großen Schritt in Richtung einer professionalisierten Lehrerausbildung gehen zu können. Darüber hinaus soll den Studierenden frühzeitig die Möglichkeit gegeben werden, ihre Studien- und Berufswahlentscheidung zu reflektieren bzw. zu überprüfen.

Das OSP wird inhaltlich vom Institut für Erziehungswissenschaft verantwortet und vom Zentrum für Schlüsselqualifikationen umgesetzt. In allen Phasen findet eine enge Kooperation mit dem Staatlichen Seminar für Didaktik und Lehrerbildung Freiburg (Abteilung Gymnasien und Abteilung Berufliche Schulen) statt. Die Vor- und Nachbereitungsworkshops werden durch Lehrkräfte der Seminare realisiert.

Zeitlicher Ablauf und Teilnahmen

Der erste Durchlauf des OSP fand im WS 2015/16 zu folgenden Zeiten statt: Begleitveranstaltungen: Vorbereitung am 24./25.02.2016 und Nachbereitung am 21.03.2016 (Anzahl Workshops = 17); Praktikumszeitraum: 29.02. bis 18.03.2016. Insgesamt haben 337 Studierende das OSP erfolgreich absolviert.

Evaluation: Methode und Datenlage

Die Studierenden, die Workshopleiterinnen und -leiter sowie die praktikumsgebenden Schulen haben sich an der Bewertung des ersten Durchlaufs beteiligt; zur Evaluation wurden folgende Verfahren eingesetzt:

  • bei den teilnehmenden 337 Studierenden kam ein Fragebogen zum Einsatz (Rücklauf 324),
  • alle 17 Workshopleiterinnen und -leiter haben im Rahmen eines Evaluationsworkshops Rückmeldungen gegeben und
  • die betreuenden Lehrkräfte an den Schulen nahmen an einer Onlinebefragung teil (Rücklauf: 78 von 153 Schulen haben sich beteiligt).
  • Darüber hinaus wurde die Qualität der zu bearbeitenden Aufgaben, die einen wichtigen Bestandteil der Studienleistung darstellen, durch das ZfS bewertet.

Zusammenfassung zentraler Evaluationsergebnisse

1. Evaluation durch die Studierenden

Positiv bewertet wurden von den Studierenden die Möglichkeiten,

  • einen fundierten Einblick in die vielfältigen Aufgaben und Tätigkeiten des Lehrerberufs zu erhalten.
  • eigene Unterrichtseinheiten durchführen zu können.
  • vielfältige eigene schulrelevante Erfahrungen machen zu können.
  • den Schulalltag eines Lehrers/einer Lehrerin begleiten und beobachten zu können.

Auch die Betreuung durch die Lehrkräfte an den Schulen wurde als sehr gut und hilfreich bewertet. Die Studierenden haben das dreiwöchige OSP insgesamt mit einem Durchschnittswert von 1,5 auf einer Skala von 1-6 bewertet. Die Zufriedenheit der Studierenden mit den Dozentinnen und Dozenten, die die Vor- und Nachbereitungsworkshops geleitet haben, war durchgehend sehr hoch. Die Vor- und Nachbereitungsworkshops haben in der Bewertung insgesamt gut bis befriedigend abgeschnitten. Hinsichtlich der Transparenz der Aufgabenstellungen wurde der Wunsch nach mehr Klarheit bzw. mehr Kohärenz geäußert. In Bezug auf den Umfang und die Komplexität der schriftlich zu bearbeitenden Aufgaben wurde der Wunsch nach einer deutlichen Reduzierung geäußert.

2. Evaluation durch die Workshopleiterinnen und Workshopleiter

Als zentrales Ergebnis des Evaluationsworkshops mit den Workshopleitenden lässt sich festhalten, dass alle Workshopleiterinnen und -leiter hinter dem Konzept stehen und es als in der Gesamtheit sehr gelungen und auch zielführend einschätzen. Durch die Vielfalt und Qualität der zu bearbeitenden Aufgaben für die Studierenden wird in der Einschätzung aller eine umfassende Vor- und Nachbereitung des OSP gewährleistet. Hier einige Aspekte, die thematisiert wurden:

  • Die Beobachtungsbögen sind sehr gut gelungen und aussagekräftig.
  • Die Aufgabenvielfalt ist gut gestaltet und ausgeglichen.
  • Der Einsatz von Fallstudien ist hilfreich und gewinnbringend.
  • Insgesamt sollte der Umfang der schriftlichen Aufgaben reduziert werden.
  • Die Workshopleiterinnen und -leiter wünschen sich mehr Spielräume bei der Gestaltung der Workshops.
  • Die Abstimmung des Informationsflusses aller Beteiligten untereinander sollte verbessert werden.

3. Evaluation durch die betreuenden Lehrkräfte an den Schulen

An der Onlineumfrage unter 153 den praktikumsgebenden Schulen (davon ca. 95 im Regierungsbezirk Freiburg) beteiligten sich 78 Lehrkräfte; die Rückmeldungen zeigen ein differenziertes Bild in der Einschätzung des OSP:

  • Motivation und Engagement vieler Praktikantinnen und Praktikanten waren sehr hoch.
  • Die Studierenden waren gut auf das Praktikum vorbereitet.
  • Genaue Anweisungen und konkrete Aufgabenstellungen sind gerade für Anfangssemester sehr hilfreich.
  • Die Aufgabenstellungen und die jeweilige Zielsetzung sollten klarer beschrieben werden und sind teilweise nicht praxisgerecht.
  • Der Umfang der (schriftlichen) Aufgabenstellungen sollte reduziert werden, um mehr Raum für die Orientierung zu haben.
  • Der organisatorische Ablauf bzw. Aufwand sollte verringert und einfacher/ transparenter gestaltet werden.

Zentral war auch die Frage nach der Einschätzung des eigenen Betreuungsaufwands, den die Lehrkräfte hatten. Hier sagen mehr als zwei Drittel der Befragten, dass der Betreuungsaufwand genau passend war, knapp ein Viertel hielten den Betreuungsaufwand für zu hoch.

4. Die Qualität der zu bearbeitenden Aufgaben

Die Einschätzung und Bewertung der studentischen Aufgaben erfolgte durch den OSP-Fachbereichsleiter und die OSP-Programmkoordinatorin, dabei wurden alle Portfolios einzeln gesichtet. Es lassen sich folgende Aussagen treffen:

  • Die Vorgaben wurden fast durchgehend eingehalten.
  • Die Qualität der zu bearbeitenden Aufgaben lässt sich im Durchschnitt als gut bis sehr gut bezeichnen.
  • Die meisten Studierenden haben sich Mühe gegeben, die Aufgaben angemessen und inhaltlich fundiert auszugestalten.
  • Auch die Portfolios, die ca. zwei Wochen nach Ende des OSP abzugeben waren, weisen eine gute bis sehr gute Qualität auf.

Fazit und Ausblick

In der Gesamtschau aller Bewertungen ergibt ein sehr positives Bild der ersten Umsetzung des OSP. Das Konzept hat überzeugt, die eingeschlagene Richtung und die inhaltliche Ausgestaltung stimmen. Die wesentlichen Zielsetzungen wurden eindeutig erreicht und somit hatte das Orientierungspraktikum für die Studierenden einen großen Benefit. Fast alle Studierenden geben an, jetzt zu wissen, dass sie mit dem Lehramtsstudium die richtige Studien- und Berufswahl getroffen haben. Durch den Core-Practice-Ansatz konnten die Studierenden die relevanten zentralen Tätigkeiten einer Lehrkraft kennenlernen und z.T. in angeleiteten Unterrichtseinheiten praktisch durchführen. Die Verzahnung von bildungswissenschaftlichen Ansätzen/Theorien und schulpraktischen Erfahrungen ist gelungen und hat bei den Studierenden zu einem profunden Verständnis komplexer bildungstheoretischer Zusammenhänge beigetragen. Dies geht einher mit einem Rollentausch vom Schüler/von der Schülerin zur Lehrkraft, den die Studierenden erfolgreich bewältigt haben und der für viele wichtige Erkenntnisse und Einsichten mit sich gebracht hat.

Für die zukünftige Weiterentwicklung des OSP war die umfangreiche Evaluation äußerst hilfreich. Sie hat sowohl vielfältige positive Rückmeldungen als auch hilfreiche kritische Anmerkungen ergeben. Wir sehen diese Anregungen als ein Auftrag an uns, das Konzept, da wo es notwendig erscheint, anzupassen bzw. zu optimieren und Verbesserungsvorschläge so weit wie möglich im kommenden Orientierungspraktikum 2017 umzusetzen.

Dezember 2016
Institut für Erziehungswissenschaft & Zentrum für Schlüsselqualifikationen (Universität Freiburg)