“Mathe? Musik? Das kann ich eh nicht!” – Was denken Lernende über ihre Fähigkeiten und was bedeutet das für den Unterricht?

Viele Schülerinnen und Schüler sind davon überzeugt, dass ihre Fähigkeiten in bestimmten Schulfächern festgelegt sind und auch durch Übung nicht wesentlich verbessert werden können. Diese negativen Überzeugungen verhindern oft, dass sie ihr eigentliches Potential ausschöpfen. Wie gut sind (angehende) Lehrkräfte darin, solche Überzeugungen zu erkennen? Welche Kompetenzen und welches Wissen benötigen sie, um problematische Überzeugungen besser zu erkennen und damit umzugehen? Und wie können positive Überzeugungen im Klassenzimmer gefördert werden? Antworten liefert Helene Zeeb anhand mehrerer Studien, die im Rahmen des Promotionskollegs CURIOUS entstanden sind.

Worum geht es?

„Ich kann kein Mathe“ oder „Ich bin einfach unmusikalisch“ – in den Köpfen vieler Schülerinnen und Schüler sind solche Gedanken fest verankert. Dahinter steckt die Überzeugung, dass Fähigkeiten festgelegt sind und auch durch Übung und Anstrengung nicht wesentlich verbessert werden können. Solchen statischen Überzeugungen begegnet man oft in Schulfächern wie Mathematik und Musik, aber auch im sprachlichen oder naturwissenschaftlichen Unterricht. Viele Studien haben gezeigt, dass Lernende mit statischen Überzeugungen weniger motiviert sind – denn warum sollte man Mühe und Anstrengung investieren, wenn man ohnehin nicht an einen Erfolg glaubt?

Idealerweise gelingt es Lehrkräften, ungünstige Überzeugungen zu verändern und die Schülerinnen und Schüler zum Lernen zu motivieren. Dafür muss man individuelle Überzeugungen aber zunächst einmal erkennen – gar nicht so einfach im komplexen Unterrichtsgeschehen! Auch sollten Lehrkräfte die Ursachen und Folgen von Überzeugungen abschätzen können und Ideen haben, wie man ihnen entgegenwirken kann. Diese Kompetenzen – Erkennen, Erklären, Entscheiden – werden als professionelle Unterrichtswahrnehmung bezeichnet.

In unseren Studien fiel es den meisten Lehrkräften schwer, Überzeugungen wahrzunehmen und sich deren Hintergründe zu erklären – und nur wenige hatten spontane Handlungsvorschläge. Diese Fähigkeiten verbesserten sich jedoch enorm, wenn Lehrkräfte über entsprechendes Wissen verfügten. Eine weitere Studie zeigte, dass es sich lohnt, aktiv zu werden: Ein Überzeugungstraining im Physikunterricht führte dazu, dass Siebtklässler ihren Glauben an Lernerfolge verstärkten und motivierter waren.

Warum sind Fähigkeitsüberzeugungen relevant?

Negative Überzeugungen verhindern oft, dass sich Lernende anstrengen und ihr eigentliches Potential ausschöpfen. Stellen Sie sich folgende Situationen vor:

Mathematikunterricht, 8. Klasse:

Die Schülerinnen und Schüler lösen Aufgaben zu linearen Gleichungssystemen. Jan klappt frustriert sein Heft zusammen und sagt: „Ich kann das einfach nicht! Schon wieder falsch! Aber ist ja auch egal, ich war schon immer schlecht in Mathe, da kann man nix machen.“

Musikunterricht, 10. Klasse:

Die Schülerinnen und Schüler erzählen von ihren Erfahrungen beim Instrumentalunterricht. Melissa sagt: „Ich hab mal mit Klarinettenunterricht angefangen, aber ich bin einfach völlig unbegabt. Meine Eltern haben sich jedes Mal die Ohren zugehalten, wenn ich geübt habe! Deshalb habe ich mit dem Unterricht aufgehört.“

Sicher sind auch Sie schon einem Schüler wie Jan oder einer Schülerin wie Melissa begegnet, die denken: Ich kann das nicht! Weil dieser Glaube die Gefahr birgt, dauerhafte Lernblockaden hervorzurufen, sollte man als Lehrerin oder Lehrer aufmerksam sein und problematischen Überzeugungen entgegentreten.

Was ist der Forschungsstand?

Unsere Studien basieren auf dem Modell der professionellen Unterrichtswahrnehmung (z.B. Stürmer, Seidel & Kunina-Habenicht, 2015; van Es & Sherin, 2002). Dieses Modell unterscheidet Erkennen, Erklären und Entscheiden als zentrale Fähigkeiten: Lehrkräfte sollten wichtige Aspekte im Unterricht wahrnehmen und sie mithilfe ihres fachlichen, fachdidaktischen und pädagogisch-psychologischen Wissens interpretieren und erklären können. Darauf aufbauend können sie eine fundierte Entscheidung treffen, was zu tun ist. In mehreren Studien konnte gezeigt werden, dass die Unterrichtswahrnehmung stark vom Wissensausmaß der Lehrkräfte beeinflusst wird (für einen Überblick siehe Stahnke, Schueler & Roesken-Winter, 2016). Allerdings wurde bisher nicht untersucht, wie Lehrkräfte in Situationen reagieren, in denen problematische Fähigkeitsüberzeugungen von Schülerinnen und Schülern zutage treten.

Eine weitere Grundlage unserer Studien sind Theorien, die Überzeugungen übers Lernen erklären: Was steckt dahinter, wenn Schülerinnen und Schüler glauben, etwas grundsätzlich nicht zu können? Solche Überzeugungen können als so genannte implizite Fähigkeitstheorien bezeichnet werden (Dweck, 2007). Demnach tendieren Menschen dazu, Fähigkeiten als prinzipiell veränderbar oder unveränderbar anzusehen. Das hat weitreichende Auswirkungen darauf, wie wir unsere Umwelt wahrnehmen, ob wir Herausforderungen suchen oder eher darauf bedacht sind, Misserfolge zu vermeiden. In diesem Kontext sind auch die Attributionen der Lernenden relevant: Menschen sind ständig bemüht, Ursachen für Ereignisse zu finden (Kelley, 1973). Hierbei gibt es verschiedene Muster: Der Schüler Jan aus dem vorhergehenden Beispiel sieht seine mangelnden Mathematikfähigkeiten als Ursache dafür, dass er eine Aufgabe falsch gelöst hat (= stabile, unkontrollierbare Ursache). Er könnte den Fehler auch darauf zurückführen, dass er sich nicht genug angestrengt hat oder den richtigen Lösungsweg nicht wusste (= veränderbare, kontrollierbare Ursache). Im Gegensatz zur ersten Erklärung könnte die zweite Erklärung dazu führen, dass sich Jan beim nächsten Versuch mehr anstrengt oder sich den Lösungsweg von seiner Lehrkraft oder von Klassenkameraden erklären lässt. Somit beeinflussen unsere Ursachenzuschreibungen auch das zukünftige Lernverhalten. Neben den genannten Erklärungsansätzen helfen auch Theorien zum Selbstkonzept und zur Selbstwirksamkeit, Lernüberzeugungen zu verstehen. Diese beschreiben, wie Lernende sich und ihre Fähigkeiten einschätzen und ob sie sich zutrauen, bestimmte Tätigkeiten auszuführen. All diese Theorien liefern Ansatzpunkte, ungünstige Überzeugungen zu verändern. So wurden zum Beispiel Überzeugungs- und Attributionstrainings entwickelt, die gute Erfolge zeigen (z.B. Robertson, 2000; Yeager & Walton, 2011).

Was haben wir gemacht und herausgefunden?

In unseren Studien verwendeten wir kurze Situationsbeschreibungen aus dem Unterricht (siehe Anhang A) und untersuchten, wie gut Lehrkräfte ungünstige Lernüberzeugungen erkannten, erklärten und welche Handlungsideen sie hatten. Die Herausforderung der Fallbeispiele war, dass neben der Überzeugung auch andere Schwierigkeiten genannt wurden. Beispielsweise wurde in der folgenden Situation außer Jans Aussage über seine vermeintlich schlechten Fähigkeiten („Ich kann das nicht!“) auch angedeutet, dass er die Grundrechenarten verwechselt hat:

Stellen Sie sich vor, Sie sind Mathematiklehrkraft einer 8. Klasse. Die Schüler*innen sind gerade damit beschäftigt, lineare Gleichungssysteme zu lösen. Aus den Augenwinkeln sehen Sie, wie Jan in der letzten Reihe frustriert sein Heft zusammenklappt und den Kopf auf den Tisch legt. Als Sie zu ihm gehen und nachfragen, was passiert ist, zeigt er Ihnen eine komplett durchgestrichene Seite und sagt: „Ich kann das einfach nicht! Schon wieder falsch! Immer, wenn ich mein Ergebnis zum Überprüfen in die Anfangsgleichung einsetze, kommen unterschiedliche Werte heraus! Aber ist ja auch egal, ich war schon immer schlecht in Mathe, da kann man nix machen.“ Sie sehen sich seine Lösung an und finden den Fehler sofort: Jan hat subtrahiert, anstatt zu dividieren. Solche Verwechslungen haben Sie bereits öfter bei Ihren Schülerinnen und Schülern beobachtet.

Die nachfolgende Abbildung zeigt, wie viel Prozent der Lehrkräfte in fünf verschiedenen Studien Jans Überzeugung als Schwierigkeit erkannten. An den Studien nahmen angehende Mathematik-Lehrkräfte (Studie 1 und 4), angehende und praktizierende Mathematik-Lehrkräfte (Studie 3) und angehende Musik-Lehrkräfte (Studie 2 und 5) teil, wobei wir für die letzteren Studien die Beispiele an den Musikunterricht angepasst hatten.

Abbildung 1. Anteil der Lehrkräfte, welche die ungünstige Fähigkeitsüberzeugung einer Schülerin oder eines Schülers als Schwierigkeit erkannten.
Abbildung 1. Anteil der Lehrkräfte, welche die ungünstige Fähigkeitsüberzeugung einer Schülerin oder eines Schülers als Schwierigkeit erkannten.

Während das Erkennen der ungünstigen Überzeugung in den ersten Studien eher gering war (meist unter 50%), liegt der Anteil der beiden letzten Balken bei fast 100%. In diesen Studien hatten sich die Lehrkräfte vor dem Lesen der Unterrichtssituationen eine halbe Stunde mit Erkenntnissen der Pädagogischen Psychologie und der Fachdidaktik zum Thema Lernüberzeugungen beschäftigt. Diese Befunde zeigen deutlich: Wissen hilft, um aufmerksam zu werden und problematische Überzeugungen besser zu erkennen!

Wissen half auch dabei, mögliche Ursachen und Folgen von Überzeugungen zu erklären. Lehrkräfte mit geringerem Wissen beschrieben Überzeugungen eher oberflächlich:

  • Jan denkt von sich selbst, dass er schon immer schlecht war in Mathe.
  • Das größte Problem ist der „Ich kann das nicht“-Gedanke.

Lehrkräfte mit mehr Wissen lieferten weitreichendere Erklärungen:

  • Jan überträgt kleine Fehler direkt auf seine allgemeinen Fähigkeiten. Das ist eine Verallgemeinerung, die sich negativ auf sein Selbstbild auswirkt.
  • Jan attribuiert die Rechenfehler auf seine Fähigkeiten im Fach Mathematik.

Auch in Bezug auf Handlungsentscheidungen gab es Unterschiede. Fragten wir nach spontanen Ideen, gab es eher vage Vorschläge:

  • Ich würde mit Jan ein klärendes Gespräch führen.
  • Der Schüler sollte motivational aufgebaut werden.

Nachdem die Lehrkräfte Wissen zu Lernüberzeugungen erworben hatten, wurden ihre Vorschläge konkreter:

  • Ich würde Jan ermutigen, dass seine mathematischen Fähigkeiten durch Übung und Anstrengung verbessert werden können und ihm klarmachen, dass es nicht auf sein Ergebnis, sondern auf seinen Lernprozess ankommt.
  • Ich würde vor allem auf die Lösungsstrategien achten. Durch andere Strategien wird es ihm vielleicht leichter fallen, die Aufgaben zu lösen und so wird er motivierter und erkennt, dass es nicht an seinen fehlenden Fähigkeiten liegt.
  • Generell würde ich die Schülerinnen und Schüler ermutigen, auch ggf. eine falsche Lösung vorzustellen. Die Herausforderung besteht nicht im Vorstellen, sondern im Finden des Fehlers und des Erklärens, wieso dies ein Fehler ist. An Fehlern zu lernen und anderen bei Fehlern weiterzuhelfen hilft enorm dabei, auch in Zukunft schwierige Sachverhalte anzugehen.

In einer weiterführenden Studie untersuchten wir, wie positive Überzeugungen im Klassenzimmer gefördert werden können. Gemeinsam mit einer Physiklehrerin entwickelten wir ein Überzeugungstraining und prüften dessen Erfolg bei Siebtklässlern. Erst stellte die Lehrerin psychologische Erkenntnisse vor, wonach es sich lohnt, sich anzustrengen und an den eigenen Fähigkeiten zu arbeiten (siehe Text „Das trainierbare Gehirn“, Anhang B). Danach regte sie zu einer Diskussion über die Botschaft des Textes an und führte drei Klassennormen ein: (1) Jeder kann Physik lernen, (2) Fehler sind wertvoll und (3) Fragen sind wichtig. Außerdem achtete sie darauf, motivational förderliches Feedback zu geben und Fehler und Fragen wertzuschätzen. Zum Schluss der mehrwöchigen Trainingsphase berichteten die Schülerinnen und Schüler von ihren Erfahrungen und schrieben einen ermutigenden Brief an zukünftige Siebtklässler, die Probleme im Physikunterricht haben. Im Vergleich mit einer Kontrollklasse, die ganz normalen Physikunterricht hatte, verstärkte sich in der Trainingsklasse die Überzeugung, dass Physik erlernbar ist. Außerdem behielt die Trainingsklasse ihre Anfangsmotivation für Physik bei, während die Euphorie über das neue Fach in der Kontrollklasse schnell abflaute. Diese Befunde zeigen, dass es sich lohnt, sich für lernförderliche Überzeugungen zu engagieren.

Was heißt das für die Praxis?

Aus unseren Studien lassen sich Handlungsvorschläge für die Lehramtsausbildung, aber auch für praktizierende Lehrkräfte ableiten. Zum einen sollte das Thema Überzeugungen in der Aus- und Weiterbildung von Lehrkräften aufgegriffen werden, denn wer mehr weiß, der ist aufmerksamer und versteht besser, warum Schülerinnen und Schüler problematische Überzeugungen entwickeln. Die Erkenntnis, dass Wissen die Unterrichtswahrnehmung schärft, deckt sich mit anderen Forschungsergebnissen (z.B. König et al., 2014), was für die Gültigkeit der Befunde spricht. Die Bildungsforschung hat zahlreiche Modelle hervorgebracht, zum Beispiel zu impliziten Theorien, Attributionen oder zum Selbstkonzept, die Lehrkräfte kennen sollten. Allerdings reicht es nicht, dieses Wissen theoretisch zu vermitteln. Vielmehr sollte auch die Anwendung des Wissens trainiert werden. Dabei kann es hilfreich sein, mit Fallbeispielen zu arbeiten. Dies können zunächst fiktive Fälle sein (siehe Anhang A), die mit eigenen Beispielen ergänzt werden, sobald die Lehrkräfte durch Praxisphasen im Studium oder während des Referendariates selbst Unterrichtserfahrungen machen. Mithilfe dieser konkreten Beispiele können Möglichkeiten besprochen werden, was man als Lehrkraft im Fall ungünstiger Überzeugungen tun kann.

Zum anderen sind unsere Befunde auch für praktizierende Lehrkräfte von Interesse. Unsere Studie zum Überzeugungstraining im Physikunterricht schließt an vorherige Studien an (z.B. Blackwell et al., 2007) und zeigt, dass es sich lohnt, Überzeugungen mit den Schülerinnen und Schülern im Unterricht zu thematisieren. Der Text „Das trainierbare Gehirn“ (Anhang B) zeigt, wie der Einstieg in eine Unterrichtseinheit zum Thema Lernüberzeugungen gestaltet werden kann. Wichtig ist, dass Sie als Lehrkraft eine aktive Auseinandersetzung mit den Textinhalten anregen. Auch durch Ihr Feedback können Sie positivere Überzeugungen unterstützen. Beispielsweise ist es sinnvoll, Rückmeldungen vor allem auf den Arbeitsprozess zu beziehen, nicht nur auf das Ergebnis oder auf die Fähigkeiten der Schülerinnen und Schüler. Sie könnten zum Beispiel den Lösungsweg oder das Durchhaltevermögen beim Bearbeiten einer Aufgabe loben oder kritisieren. Das gibt Ihren Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit, etwas an ihrem Verhalten zu ändern – im Gegensatz dazu, wenn Sie grundlegende Fähigkeiten kommentieren. Insgesamt wäre es wünschenswert, eine Unterrichtskultur zu etablieren, in der nicht das Demonstrieren guter Leistungen, sondern Lernen und Entwicklung im Vordergrund stehen.

Dr. Helene Zeeb

Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Institut für Psychologie – Institut für Erziehungswissenschaften

Kontakt:
E-Mail: helene.zeeb@ezw.uni-freiburg.de

Prof. Dr. Timo Leuders

Pädagogische Hochschule Freiburg
Institut für Mathematische Bildung

Prof. Dr. Alexander Renkl

Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Institut für Psychologie

Prof. Dr. Georg Brunner

Pädagogische Hochschule Freiburg
Institut für Musik

Zugehörige Veröffentlichungen

Rieche, H., Fischer, A. K., Geißler, C., Eitel, A., Brunner, G. & Renkl, A. (2018). Wenn Schülerinnen und Schüler glauben, unmusikalisch zu sein: Erkennen angehende Musik-Lehrkräfte solche Überzeugungen? Beiträge Empirischer Musikpädagogik, 9, 1–23.

Rieche, H., Leuders, T. & Renkl, A. (2019). If a student thinks, “I’m not a math person,” do preservice teachers notice? European Journal of Science and Mathematics Education, 7(1), 32–49.

Zeeb, H., Biwer, F., Brunner, G., Leuders, T., & Renkl, A. (2019). Make it relevant! How prior instructions foster the integration of teacher knowledge. Instructional Science, 47(6), 711-739.

Literatur

Blackwell, L. S., Trzesniewski, K. H. & Dweck, C. S. (2007). Implicit theories of intelligence predict achievement across an adolescent transition: A longitudinal study and an intervention. Child Development, 78(1), 246–263.

Dweck, C. (2007). Selbstbild: Wie unser Denken Erfolge oder Niederlagen bewirkt. Frankfurt am Main: Campus.

Kelley, H. H. (1973). The processes of causal attribution. American Psychologist, 28(2), 107–128.

König, J., Blömeke, S., Klein, P., Suhl, U., Busse, A. & Kaiser, G. (2014). Is teachers’ general pedagogical knowledge a premise for noticing and interpreting classroom situations? A video-based assessment approach. Teaching and Teacher Education, 38, 76–88.

Robertson, J. S. (2000). Is attribution training a worthwhile classroom intervention for K–12 students with learning difficulties? Educational Psychology Review, 12(1), 111–134.

Stahnke, R., Schueler, S. & Roesken-Winter, B. (2016). Teachers’ perception, interpretation, and decision-making: A systematic review of empirical mathematics education research. ZDM, 48(1–2), 1–27.

Stürmer, K., Seidel, T. & Kunina-Habenicht, O. (2015). Unterricht wissensbasiert beobachten: Unterschiede und erklärende Faktoren bei Referendaren zum Berufseinstieg. Zeitschrift Für Pädagogik, 61(3), 345–360.

Van Es, E. A. & Sherin, M. G. (2002). Learning to notice: Scaffolding new teachers’ interpretations of classroom interactions. Journal of Technology and Teacher Education, 10(4), 571–596.

Yeager, D. S. & Walton, G. M. (2011). Social-psychological interventions in education: They’re not magic. Review of Educational Research, 81(2), 267–301.

Anhang A: Fallbeispiele für ungünstige Überzeugungen

Anmerkung: Aussagen, die eine ungünstige Überzeugungen widerspiegeln, sind rot markiert.

Stellen Sie sich vor, Sie sind Musiklehrer/in einer 5. Klasse. Die Schülerinnen und Schüler sollen in der heutigen Unterrichtsstunde eine deutsche Version des Liedes „ObLaDi, ObLaDa“ von den Beatles kennenlernen. Sie beginnen mit dem Refrain und fordern die Schüler*innen auf, die Melodie zunächst nur zu summen. Dabei bemerken Sie, dass Fynn und Jonas große Probleme mit den Tonsprüngen haben und immer wieder falsche Töne summen. Einige der Mädchen fangen an zu kichern: „Das ist doch gar nicht schwer, wieso könnt ihr das denn nicht?“. Fynn antwortet genervt: „Ich versteh nicht, was das mit dem blöden Summen soll! Ich hör das halt nicht, wenn es falsch ist. Das kann ich auch nicht ändern“, und Jonas entgegnet „Singen ist eh nur was für Mädchen, ich hab da keine Lust drauf“.

Stellen Sie sich vor, Sie unterrichten eine 7. Klasse in Mathematik und beschäftigen sich gerade mit der Geometrie von Dreiecken. Sie haben in der vergangenen Stunde gezeigt, wie man die Fläche eines rechtwinkligen Dreiecks berechnet und lassen die Schüler*innen nun selbständig Aufgaben dazu bearbeiten. Peter meldet sich und fragt Sie nach der Formel, die er vergessen habe. Sie antworten: „Wenn du weißt, wie die Formel entstanden ist, kannst du sie dir ganz einfach selbst herleiten!“ Peter sieht Sie zweifelnd an und schüttelt dann den Kopf: „Die Formel kann ich nicht selber machen, die hat sich doch irgendein großer Wissenschaftler ausgedacht! Sie muss mir bloß wieder einfallen!“ Sie erklären ihm, dass man mit den zwei Seiten des Dreiecks ein Rechteck mit der Fläche a b bilden kann, welche anschließend durch 2 geteilt wird. Peter hat inzwischen die Formel gefunden und widerspricht: „Nein, nicht durch 2 teilen, hier steht mit ½ multiplizieren!“

Stellen Sie sich vor, Sie sind Musiklehrkraft einer 6. Klasse und möchten die Unterrichtsstunde nutzen, um Rollen für das anstehende Weihnachtsmusical zu verteilen. Die Schüler*innen dürfen sich freiwillig melden, nach vorne kommen und mit Klavierbegleitung ein kleines Stück aus dem Musical vorsingen. Dann entscheiden alle gemeinsam, zu wem welche Rolle passt. Nach Unterrichtsende kommt David, ein schüchterner Schüler, zu Ihnen: „Das mit dem Vorsingen und Abstimmen fand ich blöd. Ich wollte eigentlich auch den Joseph spielen, aber hab mich nicht getraut, mich zu melden. Bestimmt hätten mich die andern ausgelacht. Ich weiß ja, dass ich nicht so gut singen kann. Mein alter Musiklehrer hat immer gesagt, ich soll einfach so tun, als ob ich mitsinge, dann hört man das gar nicht. Aber wenn ich allein vor der Klasse stehe, dann geht das ja nicht.“

Sie sind Mathematiklehrkraft einer 6. Klasse. Da einige der Schüler*innen an einem Mathematikwettbewerb teilnehmen werden, haben Sie anspruchsvolle Knobelaufgaben mitgebracht. Die Schüler*innen sollen jeweils zu zweit arbeiten. Ihr Ziel ist es, neben dem systematischen logischen Vorgehen auch kooperative Fähigkeiten zu schulen, weshalb Sie leistungsstärkere mit leistungsschwächeren Schülern zusammengesetzt haben. Sie sind sich jedoch unsicher, ob die Aufgaben für solche Konstellationen geeignet sind. Die Zusammenarbeit funktioniert zunächst gut, bis Sie mitbekommen, wie Jonas und Hanna sich streiten. Sie gehen zu ihnen und sehen, dass Jonas das Arbeitsblatt auf seine Seite des Tisches gezogen hat und das Blatt mit seinen Händen abschirmt. Als Sie die beiden auffordern, das Blatt in die Mitte zu legen, protestiert Jonas: „Aber die Hanna kapiert die Aufgabe sowieso nicht! Die macht alles falsch. Mädchen können halt nicht so gut logisch denken! Ich bin viel schneller, wenn ich alleine arbeite.“

Anhang B: Informationstext „Das trainierbare Gehirn“

  • Ziel: Informationen über eine dynamische Sichtweise auf die Entwicklung von Fähigkeiten vermitteln, Diskussion über Lernüberzeugungen in der Klasse anregen
  • Zielgruppe: 7. Klasse, Gymnasium
  • Mögliche Aufgabenstellung: Lies den Zeitungsartikel gründlich durch und unterstreiche in jedem Abschnitt den wichtigsten Satz! Vergleiche danach mit deinem Nachbarn, welche Sätze ihr unterstrichen habt.

Das trainierbare Gehirn

Neuere Forschungen zeigen: Das Gehirn kann wie ein Muskel trainiert werden

Es ist bekannt, dass Training zum Beispiel durch Gewichtheben die Muskulatur stärkt und vergrößert. Über lange Zeit ermöglicht es regelmäßiges Gewichtheben, statt 10kg später ganze 50kg an Gewicht zu stemmen. Die Muskelzellen werden durch das Training stärker und größer und vermehren sich. Das macht den Muskel „stärker“.

Für viele ist die Erkenntnis, dass das Gehirn genauso wachsen und stärker werden kann, zugleich faszinierend und verblüffend. Trainiert man das Gehirn durch Knobelaufgaben, verändern sich die Nervenzellen im Gehirn. Sie wachsen an und vermehren sich. Bei Ratten konnten Wissenschaftler über einen längeren Zeitraum eine Zunahme der Gehirnmasse von 10% beobachten. Sogar bei alten Tieren wuchs das Gehirn um 10%. Ratten, die keine Knobelaufgaben lösen durften, zeigten keine Massenzunahme – und scheiterten an den kniffligeren Knobelaufgaben.

Es ist also bewiesen: Unser Gehirn kann wachsen! Nichts lieber als das – denn wer will sein Gehirn nicht zum smarten Super-Gehirn anwachsen lassen? Ein Training mit langweilig-einfachen Aufgaben nützt dem Gehirn allerdings genauso wenig wie den Muskeln das Gewichtheben mit Grammgewichten. Der Schwierigkeitsgrad ist wichtig: Beim Muskel- wie beim Gehirntraining sollten einen die Übungen ins Schwitzen bringen und fordern. Über längere Zeit werden unsere „Gehirn-Muskeln“ stärker – und die Aufgaben erscheinen uns einfacher. Dann ist es Zeit, sich neue, herausfordernde Aufgaben zu suchen.

Für Wachstum und Veränderbarkeit von Gehirnen sprechen übrigens auch Untersuchungsergebnisse an Babys und Kindern. Deren Gehirn wächst besonders stark und sie lernen noch besonders viel. Babys üben zum Beispiel das Sprechen, indem sie zuhören, nachahmen und immer kompliziertere Laute ausstoßen, bis sie schließlich sprechen können. Übung macht den Meister – und lässt unsere Gehirnzellen wachsen!

Zu Beginn ihres Lebens unterscheiden sich die meisten Menschen kaum. Jeder lernt zum Beispiel eine Sprache. Je nachdem, womit Menschen sich als Kleinkinder beschäftigen, trainieren sie allerdings ganz unterschiedliche Bereiche oder „Muskeln“ ihres Gehirns. Je mehr ein Bereich trainiert wird, desto leichter fällt es, in diesem Bereich Neues zu lernen. Schließlich sind die „Gehirn-Muskeln“ ja gewachsen! Dadurch beginnen sie sich zu unterscheiden: Alex zum Beispiel ist geübt in der Fremdsprache Englisch, Sophie findet Kopfrechnen leicht. Alex fällt Kopfrechnen schwer – sie könnte darin allerdings genauso gut wie Sophie sein, hätte sie ihre „Kopfrechnen-Muskeln“ im Gehirn genauso trainiert wie Sophie. Ihre „Englisch-Muskeln“ hat sie ja schließlich auch erfolgreich trainiert.

Niemand ist also „dumm“ oder „schlau“, wir sind nur unterschiedlich geübt. Babys hält niemand für „dumm“, nur weil sie noch nicht sprechen können – schließlich haben sie es einfach noch nicht gelernt. Trotzdem werden manche als „dumm“ bezeichnet, wenn sie keine Physikaufgaben lösen können, zu langsam lesen oder Wörter falsch aussprechen – obwohl alle diese Dinge durch Übung erlernt werden! Niemand kann von Geburt an lesen oder Gleichungen lösen. Aber mit Anstrengung, Übung und Zeit kann es jeder lernen. Wie jedes Training ist also auch das Training des Gehirns eine schweißtreibende, anstrengende Sache. Wenn man jedoch merkt, wie man besser wird, ist dies alle Mühe wert.

Übersetzt und adaptiert durch Julia Ostertag von: MindsetWorks (2002-2014). You can grow your intelligence.

Verfügbar unter www.mindsetworks.com.