Lehrentwicklungsprojekt Wirtschaft: Wirtschaftsgeschichte

Im Lehrentwicklungsprojekt Wirtschaftsgeschichte lernen Studierende die zentralen wirtschaftlichen Entwicklungslinien der vergangenen Jahrhunderte kennen, insbesondere die Relevanz der Industriellen Revolution, sowie ihre Auswirkungen auf die heutige Zeit und die globale wirtschaftliche Ungleichheit. Dies soll angehenden Wirtschaftslehrkräften einen Überblick über relevante wirtschaftshistorische Ereignisse und Entwicklungen geben und sie somit befähigen, die der heutigen Zeit besser zu verstehen.

Lena Schmid (Wirtschafts- und Verhaltenswissenschaftliche Fakultät, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg), Projektlaufzeit: 15.04.2022 – 15.04.2023

Wie ist die globale wirtschaftliche Ungleichheit unserer Zeit zu erklären? Wieso ist über die Zeit eine Schere zwischen verschiedenen Weltregionen entstanden, die manche Länder hat arm bleiben lassen und andere reich gemacht hat? Welche Entwicklungspfade aus der Vergangenheit können wir in unseren heutigen Gesellschaften erkennen? Die Beschäftigung mit derartigen Fragen sollte für Studierende der Wirtschaftswissenschaften, insbesondere aber für angehende Lehrkräfte, von essenzieller Bedeutung sein, um aktuelle wirtschaftliche Entwicklungen einordnen und bewerten zu können.

Dennoch sind wirtschaftshistorische Veranstaltungen an deutschen Universitäten nur spärlich vertreten. Der Trend in der internationalen Forschung hingegen zeigt die Relevanz von Persistenzen und Pfadabhängigkeiten für aktuelle Entwicklungen. In der (institutionenökonomisch geprägten) Wachstums- und Entwicklungsforschung werden beispielsweise die Rolle von Kultur (Tabellini, 2010), Ideologie (North, 1991), Geographie (Easterly und Levine, 2003; Nunn und Puga, 2012), Institutionen (North, 1989; Acemoglu et al. 2001; Rodrik et al., 2004) oder einfach nur dem Zufall für heutige wirtschaftliche Entwicklung thematisiert. Dabei ist einerseits die seit Jahrzehnten andauernde kontroverse Debatte in der (ökonomischen) Literatur spannend. Andererseits ist die Fragestellung an sich – welche Faktoren begünstigen langfristig wirtschaftliche Entwicklung? – wissenschaftlich und gesellschaftlich weitreichend und von enormer Relevanz.

In den heutigen Bildungsplänen spielt die Vermittlung von Multiperspektivität eine wesentliche Rolle. Daher ist es durchaus relevant, dass viele historisch, politisch und räumlich bedeutsamen Entwicklungen eine deutliche wirtschaftliche Komponente haben. So hat die Industrielle Revolution zu dramatischen Umwälzungen in allen Lebensbereichen geführt, jedoch ist wesentlich, dass sie im Kern wirtschaftlicher Natur war. Zugleich war die Industrielle Revolution jedoch nicht voraussetzungslos, beruhte sie doch auf damaligen politischen, ökonomischen und wissenschaftlichen Entwicklungen, die sie ermöglichten. Darüber hinaus zeigt sich, wie sich damalige Entwicklungen bis in die Gegenwart verfestigten. Wer heutzutage globale Disparitäten (z.B. den ökonomischen Rückstand des Globalen Südens) oder auch regionale Besonderheiten (z.B. die Wirtschaftsstruktur Baden-Württembergs) verstehen möchte, braucht dementsprechend ein tiefgehendes Verständnis wirtschaftshistorischer Entwicklungen, ihrer Voraussetzungen und Folgen.

Das Lehrprojekt wurde als Seminar spezifisch für Bachelorstudierende des Lehramts Wirtschaftswissenschaften im Wintersemester 22/23 durchgeführt. Wirtschaftsstudierende der PH waren zur Teilnahme eingeladen, was jedoch nicht in Anspruch genommen wurde. Das Seminar beginnt mit einer inhaltlichen Einführung in die globale Wirtschaftsgeschichte anhand der Themenbereiche, die von der Dozentin vorab identifiziert wurden und die von den Studierenden selbstständig im Laufe des Semesters bearbeitet werden sollen. Die Themen sind eine chronologische Abfolge von relevanten wirtschaftsgeschichtlichen Perioden, die sich häufig über mehrere Jahrzehnte oder Jahrhunderte erstrecken. Die Zeiträume sowie Fragestellungen sind bewusst breit gehalten, um den Studierenden zu ermöglichen, den Fokus ihrer Arbeit selbst herauszuarbeiten. Als konkrete Aufgabenstellung für die Seminararbeit und -präsentation sollen die Studierenden die wichtigen Entwicklungen der entsprechenden Periode darzustellen und sie bezüglich ihrer Auswirkungen auf die nachfolgende oder heutige Zeit zu diskutieren.  Zum Ende des Semesters stellen die Studierenden ihre Arbeiten in 2 Blockterminen vor. Die sich anschließende, angeleitete Diskussion dient der Stärkung des Verständnisses des Themas, seiner Einbettung in den globalen Entwicklungskontext bis zur heutigen Zeit sowie der Erörterung der Frage, welche Signifikanz das Thema für den schulischen Kontext haben kann oder sollte. Hierbei werden auch Bezüge zum aktuellen Bildungsplan hergestellt und Fragen der wirtschaftsdidaktischen Umsetzung im Schulunterricht geklärt.

Ziel ist es, das Seminar mindestens ein weiteres Mal zu wiederholen unter Einarbeitung der Rückmeldungen der Studierenden hinsichtlich Themenwahl, Umsetzung, Organisation oder Anforderungen. Gegebenenfalls kann daraus nach mehrmaliger Wiederholung eine Einführungsvorlesung zur Wirtschaftsgeschichte für alle Bachelorstudierenden der Wirtschaftswissenschaften entwickelt werden.

Literatur

Acemoglu, D., Johnson, S., & Robinson, J. A. (2001). The colonial origins of comparative development: An empirical investigation. American Economic Review, 91(5), 1369-1401.

Easterly, W., & Levine, R. (2003). Tropics, germs, and crops: how endowments influence economic development. Journal of Monetary Economics, 50(1), 3-39.

North, D. C. (1989). Institutions and economic growth: An historical introduction. World Development, 17(9), 1319-1332.

North, D. C. (1991). Institutions, ideology, and economic performance. Cato J., 11, 477.

Nunn, N., & Puga, D. (2012). Ruggedness: The blessing of bad geography in Africa. Review of Economics and Statistics, 94(1), 20-36.

Rodrik, D., Subramanian, A., & Trebbi, F. (2004). Institutions rule: the primacy of institutions over geography and integration in economic development. Journal of Economic Growth, 9(2), 131-165.

Tabellini, G. (2010). Culture and institutions: economic development in the regions of Europe. Journal of the European Economic Association, 8(4), 677-716.