Systemisches Denken und Handeln in der Schule – ein anderer Blick auf „Probleme“ im Schulalltag

Was ist überhaupt ein „System“ und welche Relevanz hat der systemische Blick für meinen Schulalltag? Inwiefern unterscheidet sich ein systemischer Beratungsprozess von den „normalen“ Schüler- oder Elterngesprächen? Inwiefern ist der systemische Blick hilfreich? Die Online-Fortbildung eröffnete den Teilnehmenden die Möglichkeit, Problemen aus dem Schulalltag vor einem anderen Verständnishorizont zu entgegnen.

 

Screenshot: Referentin Katja Schuster bei dem 2. Online-Termin

Unter dem Titel „Systemisches Denken und Handeln in der Schule“ fand an drei Nachmittagen im Mai 2021 eine Online-Fortbildung des Handlungsfelds „Praxisvernetzung und Fort- und Weiterbildung“ der School of Education FACE statt –unter Leitung der Beratungslehrerin und Systemischen Beraterin Katja Schuster. Sie entwickelte ein abwechslungsreiches Online-Format, das in Zusammenarbeit mit drei Studentinnen der PH im Rahmen deren Lehrveranstaltung im Bereich „Pädagogische Kernkompetenz“ als Neuauflage der Präsenzveranstaltung aus dem Jahr 2020 entstand. Die Studierenden beteiligten sich in Kooperation mit der Referentin aktiv an der Konzeption der Lehrkräftefortbildung durch das Erstellen von Präsentationen, Lernvideos sowie der Durchführung von Interviews.
In der Fortbildung, die sich an Lehrende aller Schulformen, sowie an pädagogisches Personal (z.B. Schulsozialarbeiter*innen) richtete, entwickelten die Teilnehmenden einen systemischen Blick auf ihr berufliches Umfeld und erlernten Gesprächstechniken aus der systemischen Beratung. Um den Transfer in den Schulalltag zu erleichtern, erprobten sie ihr neues Wissen in verschiedenen Rollenspielen.

In der 1. Sitzung ging es vor allem um das Verständnis, dass Kommunikation und Verhalten im System „Schule“ (Kollegium, Klasse, Schüler, Familien etc.) ein Ausdruck der kommunikativen Prozesse der am jeweiligen System Beteiligten ist und innerhalb des jeweiligen Systems auch eine Funktion hat (die uns nicht immer augenfällig erscheint).
Mit dieser Grundannahme konnten die Teilnehmenden viele „Verhaltensauffälligkeiten“ von Schülerinnen und Schülern unter einem neuen Blickwinkel betrachten (Stichwort „Reframing“). Sie „erforschten“ diese Verhaltensweisen dann aus der Beobachtungsperspektive – d.h. neugierig, nicht-wissend und im Kontext ihres Systems. Ihre Rolle ist dennoch nicht rein passiv: Da kommunikative Prozesse zirkulär sind, beeinflusst jeder Teil des Systems sowohl jeden einzelnen Teil als auch das System als Ganzes. Durch ihre Haltung und ihr Agieren nimmt die Lehrkraft also immer einen Einfluss auf das System.
Im Anschluss an die Theorie wendeten die Teilnehmenden diese Grundbegriffe und Haltungen in Rollenspielen praktisch an und simulierten Lehrer-Schüler-Gespräche unter der Anwendung von systemischen Gesprächstechniken. Bei den Rollenspielen wurde auch den durch die Pandemie bedingten veränderten / bzw. verstärkten Problematiken Rechnung getragen.

In der 2. Sitzung erweiterte Frau Schuster das Feld auf die Eltern als Systembeteiligte. Sie erläuterte verschiedene Kommunikationsmodelle wie z.B. das Transaktions-Modell von Eric Berne und die Skulptur-Methode von Virginia Satir und analysierte diese gemeinsam mit den Teilnehmenden im Hinblick auf Elterngespräche: Warum ist es oftmals so schwierig, mit Eltern konstruktive, lösungsorientierte Gespräche zu führen? Was steckt hinter den Vorwürfen, die Eltern oft machen, was steckt hinter unseren individuellen Reaktionen darauf? Wie auch in der 1. Sitzung wurde der eine oder die andere Teilnehmende dazu angeregt, sich mit eigenen Rollenbildern und Wertevorstellungen auseinanderzusetzen. In den Rollenspielen wurde insbesondere die durch die Pandemie verstärkte häusliche Problematiken bearbeitet. Dabei erwies sich die Anwendung von systemischen Gesprächstechniken und eine wertschätzende Haltung als hilfreich.

In der 3. Sitzung bettete Frau Schuster den Beratungsprozesses in den systemtheoretischen Hintergrund ein: Welche systemtheoretischen Hintergründe z.B. aus der Biologie oder Physik wurden auf soziale Systeme übertragen? Wodurch ist das soziale System „Schule“ gekennzeichnet und wie sieht eine erfolgreich „funktionierende“ Schule aus systemischer Sicht aus? Gerade in Hinblick auf krisenhafte Phänomene, die durch die Pandemie für viele Beteiligte im System „Schule“ erlebbar waren, stieß die Ausweitung des Blickfeldes auf das „große Ganze“ auf starkes Interesse der Teilnehmenden. An konkreten Einzelbeispielen wurde ihnen deutlich, dass ein einzelner Fall nie ein isoliertes „Problem“ darstellt, sondern immer im Kontext erfasst und wahrgenommen werden sollte.

Insgesamt konnten die Teilnehmerinnen einen anderen Blick, eine andere Haltung in Bezug auf Schule als System kennenlernen und damit neue Sichtweisen und Handlungsoptionen für kommunikative Prozesse in ihren Schulalltag mitnehmen.

Aus der Evaluation:

„Ich konnte mich entspannt und gut auf die Fortbildung einlassen, da ich nicht in Hetze zu einem Ort hinfahren musste. Das Online-Format kam mir sehr entgegen. So konnte ich die Übungen bewusst erleben und durchführen. Erst dadurch wurde mir deutlich, was ich in der Schule versuchen muss. Die kleine Hausaufgabe gab mir im Nachgang eine gute Möglichkeit, das gerade Erlernte anzuwenden. Für mich war die Fortbildung insgesamt sehr stimmig.“

„Mir hat die hohe Kompetenz der Dozentin gefallen. Sie führte mit viel Respekt und achtsam durch die Fortbildung, ohne dass man sich bevormundet oder eingeschränkt fühlte. Sie hatte eine motivierende Art und hat uns interessante Aufgaben gegeben. Hinzu kam die gute Durchmischung der Gruppe aus Lehrenden und Nicht-Lehrenden.“

„Die Abwechslung war super. Die Veranstaltung war ein guter Mix aus theoretischem Input und praktischem Arbeiten in Gruppen“

„Das war `ne richtig wertvolle Fortbildung.“

Katja Schuster, Beate Epting & Aliena Kempf