FACE it: Warst du schon einmal in Littenweiler? – Ein Plädoyer für mehr hochschulübergreifenden Austausch zwischen Studierenden der Universität Freiburg und der Pädagogischen Hochschule

FACE it – Lehramtsstudierende bloggen über ihr Studium in Freiburg

Karima Zauner, Lehramtsstudentin im Master of Education (Universität), fragt sich in ihrem “Plädoyer für mehr hochschulübergreifenden Austausch”: “Welche Erfahrungen haben wir als Uni-Studierende mit der Pädagogischen Hochschule (PH)? Und welche Erfahrungen haben PH-Studierende mit der Universität? Wie kommt es, dass wir in der selben Stadt zu denselben Themen forschen und studieren, ohne über den jeweils anderen Standort wirklich Bescheid zu wissen? Und wie können wir vorhandene Wissenslücken schließen und hochschulinternen Vorurteilen vorbeugen?”

Welche Erfahrungen haben wir als Uni-Studierende mit der Pädagogischen Hochschule (PH)? Und welche Erfahrungen haben PH-Studierende mit der Universität? Wie kommt es, dass wir in der selben Stadt zu denselben Themen forschen und studieren, ohne über den jeweils anderen Standort wirklich Bescheid zu wissen? Und wie können wir vorhandene Wissenslücken schließen und hochschulinternen Vorurteilen vorbeugen?

Montag, 12 Uhr, es regnet. Freiburger Studierende finden sich zu ihrer ersten Vorlesungswoche ein. Doch diese Veranstaltung an der Pädagogischen Hochschule (PH) Freiburg ist irgendwie anders. Auf den ersten Blick erkenne ich keine bekannten Gesichter. Als Studentin der Uni Freiburg hat mich das Auffinden des Raumes an der PH mehr Zeit gekostet, als ich zugeben möchte. Ich bin heute neu hier: Neu an der Pädagogischen Hochschule, neu in diesem Kurs, und neu in einem Studiengang, der ohnehin für alle irgendwie neu ist. Mit so viel Neuartigkeit bin ich im ersten Moment überfordert. Ich setze mich und beobachte das Geschehen, als eine Stimme von hinten fragt: „Na, was studierst du so?“ Ich schrecke auf und drehe mich um. Die Stimme gehört einem Mädchen meines Alters, sie lächelt. Ich hole aus und erkläre ihr meinen Studiengang. Der Master of Education – im wesentlichen ein Zwitterwesen zwischen Fachdidaktik, Bildungswissenschaften und Fachkompetenz. Der Titel suggeriert, dass man nach Abschluss dieses Studiums eine Art Bildungsexperte sei – meiner Meinung nach eine hochproblematische Konnotation. Wie oft wird einem im Laufe des Studiums schließlich klargemacht, dass man im Grunde genommen nichts mit absoluter Sicherheit wissen kann?

Diese Unwissenheit setzt sich auch in der Beschreibung meines Studiengangs gegenüber Außenstehenden fort. „Lehramt-neu“ scheint eine naheliegende Bezeichnung, und dennoch sehe ich mich derzeit nicht als Inhaberin irgendeines Amtes. Neben mir sitzt „Lehramt-alt“, auch „GymPOler“ genannt, und das Lächeln von vorhin gehört einer angehenden Grundschullehrerin. Ich fühle mich noch immer etwas verloren in diesem bunt gemischten Haufen. Doch glücklicherweise geht die Dozentin gleich zu Beginn des Kurses ausführlich auf die Heterogenität der Gruppe ein, die sie vor sich hat. Bei der Frage nach Studierenden der Uni Freiburg erkenne ich tatsächlich einige entfernt bekannte Gesichter. Sport studiert man, und Geschichte. Doch auch ich als Philologin finde einen Gleichgesinnten: „Sekundarstufe I“ studiert auch Englisch, so wie ich. Im Austausch mit Studierenden der PH bemerke ich, wie stark sich unsere Perspektiven unterscheiden. Das erscheint auf den ersten Blick etwas befremdlich, unser Ziel ist schließlich dasselbe: Unterrichten. Doch im Gespräch mit PH-Studierenden finden sich auch viele Gemeinsamkeiten: Die Schülerinnen und Schüler sollen im Mittelpunkt des Unterrichts stehen, heißt es von beiden Seiten. Und auch der Umgang mit Stress im späteren Berufsleben scheint uns alle gleichermaßen zu beschäftigen. „Ihr seid ja im Studium immer schon gestresst“ höre ich vielerorts an der PH, wenn ich erwähne, dass ich an der Uni studiere. Fragt man bei Uni-Studierenden nach ihrem Verständnis von Zeitmanagement an der PH, hört man „Da geht es entspannter zu als bei uns“. Das Vorurteil, dass man an der Uni weniger Zeit hätte, sich tiefgehend mit Inhalten zu beschäftigen, steht im Kontrast zu der von Uni-Studierenden wahrgenommenen „Entspanntheit“ an der PH. Im Gespräch mit Studierenden beider Institutionen kommen wir jedoch zu einem positiven gemeinsamen Urteil: Man sollte sich unabhängig von den vorgegebenen Anforderungen, unabhängig von der wohlbekannten Jagd nach Scheinen und ECTS-Punkten, so viel Zeit nehmen, wie man zum Verständnis eines Inhalts wirklich benötigt. Diese Perspektive scheint an der PH eher gelebt zu werden als an der Uni, wo man sich stark an dem vom Prüfungsamt vorgegebenen Zeitrahmen orientiert.

Nach Gesprächen mit so viel positivem Konsens verblüfft es mich umso mehr, als ich mich kurz darauf mit meinen Kommiliton*innen an der Uni über Vorurteile gegenüber der PH unterhalte: Wo sich so viele Gemeinsamkeiten fanden, gibt es auch zahlreiche negative Meinungen über eine Institution, die die meisten von uns nur vom Hörensagen kennen. PH-Studierende seien „unorganisiert“. – Doch ist es nicht lediglich eine neue Organisationsstruktur, in die man als Uni-Studierender vielleicht erst hineinwachsen muss? Im Kurs an der PH ergreife ich nochmals die Gelegenheit und frage auch bei PH-Studierenden nach. Studierende der Uni seien „hochnäsig“. – Ein Vorurteil, das wohl auf Unterschiede in der akademischen Kultur anspielt: man siezt sich, ist weitgehend anonym und stark auf Inhalte orientiert. Dieser Unterschied ist für Studierende der PH auf den ersten Blick wohl etwas befremdlich, doch auch hier ist etwas Flexibilität im Denken gefragt.

Ich muss staunen, da das vorschnelle Urteilen über die Lebens- und Lernwelt der Anderen wohl auf Gegenseitigkeit beruht. Mir wird mit einem Schlag klar, dass wir Vorurteile gegenüber Studierenden der jeweils anderen Institution haben, und das, ohne diese oder ihre Studierenden wirklich richtig zu kennen. Mich macht das so wütend, dass ich beginne darauf aufmerksam zu machen – beim Gespräch mit Kommiliton*innen an der Uni, an der PH und besonders in Veranstaltungen, in denen Studierende der beiden Standorte aufeinandertreffen. Unglücklicherweise wird auch in diesen Veranstaltungen viel getrennt, Uni versus PH scheint beinahe wie eine rote, unüberschreitbare Linie.

Ich frage mich, wovor man Angst hat als Uni-Studierender: Die Studierenden der PH scheinen nett und hilfsbereit, in Kursen wird geduzt und generell ist man hier nicht anonym. Doch vielleicht ist es genau das, wovor man sich fürchtet: der Verlust von Anonymität, diese schützenden Blase, an die man an der Uni doch sehr gewöhnt scheint. Schließlich hat man sie liebgewonnen, diese Blase, in der man sich hinter seinem Laptop und seiner Matrikelnummer verstecken kann. Das erscheint manchen doch wesentlich einfacher als mit seinen Mitmenschen in Kontakt treten zu müssen. Dass hochschulübergreifender Austausch gar nicht so schlimm ist, wie er auf den ersten Blick scheint, erfährt man jedoch erst, wenn man jeweils einen Schritt aufeinander zu wagt. Klar, dieser Perspektivenwechsel ist für beide Seiten nicht einfach: Weder für Studierende der Uni am PH-Standort in Littenweiler, noch für Studierende der PH an Standorten am Uni-Campus in der Innenstadt. Und dennoch ist die Hürde nicht unüberwindbar.

Der Hürdenlauf wird jedoch einfacher, wenn man sich immer wieder des gemeinsamen Zieles bewusst wird: Unterrichten. Denn guter Unterricht braucht Lehrkräfte, die über ein breites Spektrum von Perspektiven und Erfahrungen verfügen. Daher lade ich Studierende der Uni und der PH zu mehr gemeinsamem Austausch ein, sowohl im Rahmen von Kursen und akademischen Veranstaltungen, doch auch außerhalb. Denn ein Perspektivenwechsel schadet der eigenen Wahrnehmung nur selten.

Karima Zauner
1. Fachsemester, Master of Education (Universität)

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