Wie kooperieren Regel- und Sonderpädagog*innen? – Forschungsprojekt „Unterstützung von Lehrpersonen im Kontext inklusiver Lehr-/Lernsettings“ (UNIP)

Das in der Qualitätsoffensive Lehrerbildung im Rahmen der School of Education FACE entwickelte und im Zeitraum von 2015 bis 2018 durch Jun.-Prof. Dr. Andreas Köpfer (Professur für Inklusive Bildung und Lernen an der Pädagogischen Hochschule Freiburg) und Kathrin Lemmer durchgeführte schulethnografische Projekt „UNIP – Unterstützung von Lehrpersonen im Kontext inklusiver Lehr-/Lernsettings“ geht der Frage nach, wie professionelle Kooperation am Beispiel von Regel- und Sonderpädagog*innen in inklusiven Schul- und Unterrichtssettings an Schulen in Baden-Württemberg gestaltet wird und welche Rolle sonderpädagogische Expertise und Unterstützung hierin spielen.

Auch wenn die Kooperation von Regel- und Sonderpädagog*innen häufig in Forschungen in den Blick genommen wird, gibt es wenige empirische Befunde, die das kooperative Handeln der Lehrer*innen sowie die Kooperationsvorstellungen angehender Lehrpersonen untersuchen. An dieser Stelle setzte das explorative Projekt UNIP an und fragt, wie Regel- und Sonderpädagog*innen vor dem Hintergrund bestehender Kooperationsvoraussetzungen arbeiten und welche Vorstellungen von Kooperation angehende Lehrpersonen in Bezug auf schulische Inklusion haben.

Das Projekt untergliederte sich in zwei Teile. In der ersten Phase des qualitativen Projekts wurden durch problemzentrierte Interviews mit Regel- und Sonderpädagog*innen deren kooperative Praktiken rekonstruiert. Hier zeigt sich, dass die methodisch-didaktische Gestaltung des Unterrichts dadurch bedingt ist, ob durchgängige sonderpädagogische Unterstützung zur Verfügung steht – gleichzeitig jedoch eine nur temporäre Anwesenheit der Sonderpädagog*innen zu einer delegativen Praxis bezogen auf Schüler*innen mit sonderpädagogischem Förderbedarf führen kann.

In der anschließenden zweiten Projektphase stand die Frage im Mittelpunkt, welche Vorstellungen von Kooperation angehende Lehrpersonen des Primar- und Sekundarstufenlehramts haben. Zum einen konnte ein Typ (a) von Kooperation herausgearbeitet werden, der sich in Vorstellungen eines gleichberechtigten, harmonischen und partnerschaftlichen Verhältnisses in der Unterrichtsplanung und -durchführung seitens der Lehrer*innen ausdrückt. Des Weiteren wird Kooperation als Professionsaufgabe gesehen (Typ b), wodurch Aufgabenbereiche nach Expertise unterteilt werden, um so der Organisation von Unterrichtsplanung und -durchführung zu dienen. Zudem gibt es Vorstellungen (Typ c), die Kooperation als eine Pflichtaufgabe ansehen, die mit Angst und Unsicherheit vor Mehraufwand behaftet ist und eine asymmetrische Kooperationsbeziehung sichtbar machen.

Wie die Ergebnisse des Projekts UNIP verdeutlichen konnten, spielt die Auseinandersetzung mit professioneller Kooperation im Rahmen schulischer Inklusion nicht nur in der Schulpraxis eine wichtige Rolle, sondern ist bereits im Rahmen einer inklusionsorientierten Lehrer*innenbildung in den ersten beiden Ausbildungsphasen anzubahnen.

Publikationen zum Projekt:

Köpfer, Andreas & Lemmer, Kathrin (2019, in Druck): Die ‚perfekte‘ Kooperationssituation – Rekonstruktionen ambivalenter Kooperationsvorstellungen angehender Lehrkräfte im Kontext schulischer Inklusion entlang von Norm und Expertise. In: Beiträge zur Lehrerinnen- und Lehrerbildung (BzL).

Köpfer, Andreas (2018): Die Konstruktion von Kooperation und Unterstützung in multiprofessionellen Settings – Annäherungen an die Relation von Kooperation, Raum und Expertise. In: A. Langner (Hrsg.): Inklusion im Dialog: Fachdidaktik – Erziehungswissenschaft – Sonderpädagogik. Bad Heilbrunn: Klinkhardt, S. 175-181.

Köpfer, Andreas (2018): Inklusive Bildung zwischen Programmatik und Praxis – (inter-)nationale Analyse professioneller Kooperationsprozesse in inklusionsorientierten Unterrichtssettings entlang von Raum und Expertise. In: Bildung und Erziehung, Jg. 71, H. 4, S. 395-411.

Köpfer, Andreas (2017): Schulische Inklusion zwischen Differenzen und Differenzsetzungen – Annäherungen an Raumproduktion und Raumaneignung im Kontext professioneller Kooperationsprozesse. In: Zeitschrift für Inklusion-Online, Jg. 11, H. 4, URL: https://www.inklusion-online.net/index.php/inklusion-online/article/view/452 [Zugriff: 15.10.2019].

Lemmer, Kathrin (2018). Kooperationsvorstellungen und -erfahrungen angehender Lehrkräfte in Bezug auf schulische Inklusion. In: Zeitschrift für Inklusion-Online, Jg. 12, H. 4. URL: https://www.inklusion-online.net/index.php/inklusion-online/article/view/486 [Zugriff: 15.10.2019]