Sabine Altenburger: Theaterpädagogik – eine Wegbereiterin

Praxiskolleg Ringvorlesung WS 19/20 „Theater und Schule“ am 05.12.2019

Dem Publikum der Ringvorlesung „Theater und Schule“ bot sich an diesem Abend ein ungewohntes Bild: Die Theaterpädagogin Sabine Altenburger hatte das gesamte Pult samt Steuerstand und Mikrophonen abgeräumt und eine nur noch von zwei viereckigen Löchern unterbrochene Bühne geschaffen. Theaterpädagogik, lernten alle unmittelbar und anschaulich, ist nicht ein Werkzeug für irgendetwas, sondern befähigt als Methode Menschen, überhaupt kreativ lernen zu können. Zugänge werden anders gelegt und bergen plötzliche Überraschungen, durch die festgefahrene Kognitionsmuster und –typen aufgebrochen und neu erlebt werden können.

Dieses Versprechen einlösend wurde in der Vorlesung von allen Teilnehmenden die theoretische Wirkungsabsicht der theaterpädagogischen Warm-ups, Spielansätze und Improvisationsvorgaben gemeinsam praktisch überprüft und reflektiert. Es ging, wie der Leiter der Ringvorlesung, der Amerikanist Prof. Dr. Wolfgang Hochbruck, eingangs versprochen hatte, über Tische und Bänke.

Sabine Altenburger Sabine Altenburger M.A. ist Dozentin der Theaterpädagogischen Fortbildung (BUT) des TheaterPädagogikZentrums Baden-Württemberg in Freiburg und Konstanz. Sie führt Regie in verschiedenen Theaterensembles im Raum Tübingen/Reutlingen, arbeitet als freie Dramaturgin, Theaterautorin.

 Theaterpädagogik zielt mit ihrer methodischen Bandbreite aus dem Bereich des Schauspieltrainings, der Spielpädagogik und einer Reihe von Bewegungslehren darauf ab, Menschen aus den ausgetretenen Pfaden ihrer Wahrnehmung, ihrer Bewegungsabläufe und ihres Denkens herauszuführen.

Die vier Elemente der Theaterpädagogik

Vier Elemente sind hierfür zentral (dies wurde, wie man nachstehend sehen kann, ganz körperlich umgesetzt):

1. Selbsterfahrung / -wahrnehmung:

Wie, ist die Frage, ist es mir heute im Wortsinne „ergangen“? Für die Übung wandern, springen, tanzen, schleichen, kriechen alle durch den Raum. Wer angekommen zu sein meint, bleibt stehen. Jede*r findet einen Ausdruck zum eigenen Empfinden – eine Körperhaltung; und ein Laut dazu. Von der Alltagserfahrung kommt es zur Steigerung und Veränderung. Es wird größer, lauter, extremer.

2. Vertrauen als Kreativitätsvoraussetzung:

Dies ist eine gruppendynamische Arbeit, die die Möglichkeit des ‚Scheiterns‘ ausdrücklich einschließt (und damit schon über den sonst in der Schule dominierenden Diskurs der notenbewerteten Leistung einschließlich Kontrolle hinausgeht, die das – clowneske – Scheitern nicht vorsieht). Die Probe ist eine Aneinanderreihung von Misslingen, Ausprobieren, Irrwegen und lustvollem Scheitern als etwas, worüber gemeinsam gelacht werden kann.

Beispiele:

  • Eine Aufwärmübung im Kreis, bei der mit „Ho“ eine Hand auf den Kopf gelegt, mit „He“ eine Hand an die Brust geführt und mit „Za“ an eine Person auf der anderen Seite des Kreises weitergegeben wird.
  • Andere Übung: Kuhstall bei der drei Leute abwechselnd als Kuh und als Stall durch den Raum toben.

Bei den Übungen handelt es sich um nonverbale Prozesse mit Geschwindigkeit. Jede*r kommt mit allen anderen Personen in Kontakt. Das produziert Lachen.

3. Aufmerksamkeit schafft Zugang zum Unbewussten:

Gemeinsamkeit: Sensibilität füreinander in der Beobachtung und Kopie der Bewegungen einer Partnerperson.

4. Kreation zusammen mit dem Gegenüber

Die Übung „Tauziehen“ erfordert ein Mitspielen aller, eine Verhandlungslösung. In der ersten (Versuchs-)Runde hatten beide aus den ca. 30 Teilnehmenden gebildeten Teams sich beim Ziehen am (imaginären) Tau voneinander weg bewegt, was physisch mit einem echten Tau unmöglich gewesen wäre. Dies zeigt die Wechselseitigkeit des Spiels.

Hier ging, im mehrfachen Wortsinne, etwas ab.

Die theoretische Reflektion folgte bzw. wurde gelegentlich fast nicht merklich untergemischt. Die Stufen 1 bis 3 müssen stimmen, bevor eine Gruppe bei 4. ankommen kann. Für die Lehrenden ist die Arbeit durchaus komplex: Die relative Intimität des geschützten Raums des Theaterspiels ist befreiend für die eigene Kreativität. Gleichzeitig muss die Lehrperson zumindest in der Schule in der Regel eine wie auch immer reduzierte Kontrollfunktion weiter ausüben; die Autoritätsverpflichtung besteht auch dann weiter, wenn ich mich bereitwillig selbst zum Affen mache. Und die Schülerinnen und Schüler spielen nicht notwendig mit. Trotz dieser Vorbehalte zeigen die Rückmeldungen aus den Reihen der Teilnehmenden, dass die Anregungen aufgenommen und Kreativität angeregt wurde.

(Wolfgang Hochbruck)

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