Stärkung der Professionsorientierung durch Steigerung von Kohärenz sowie Entwicklung eines Integrierten Pilotstudienganges

Im Sinne der Leitgedanken der Kohärenz und Professionsorientierung der School of Education FACE sollen im Projekt “FACE – Berufliches Lehramt” die Beruflichen Lehramtsstudiengänge (gewerblich-technische Fachrichtungen) systematisch weiterentwickelt werden. Angestrebt wird eine Stärkung der Professionsorientierung durch stärkere innere, auf den jeweiligen Studiengang bezogene, und äußere, auf externe Wirkungen bezogene, Kohärenz. Außerdem soll ein Pilotstudiengang mit einer integrierten Berufsausbildung konzipiert werden.

Die Pädagogische Hochschule Freiburg (PH FR) bietet seit dem Wintersemester 2003/2004 in Kooperation mit der Hochschule für angewandte Wissenschaften Offenburg (HAW OG) insgesamt fünf konsekutive Bachelor-Master-Programme für das Höhere Lehramt an beruflichen Schulen im gewerblich-technischen Bereich an.

In den entsprechenden Einzelstudiengängen ist die PH FR für die Bildungswissenschaften mit Schwerpunkt Berufs- und Wirtschaftspädagogik sowie die fachdidaktische Ausbildung und die HAW OG für die fachwissenschaftlichen Studienanteile zuständig. Das Seminar für Ausbildung und Fortbildung der Lehrkräfte Freiburg (Berufliche Schulen) verantwortet als weiterer Partner die inhaltliche und organisatorische Ausgestaltung der schulpraktischen Phasen, in der auch seitens der Lehrenden der PH FR eine Betreuung und Beratung erfolgt.

Die Studierenden erhalten an der HAW OG eine exzellente fachwissenschaftliche Ausbildung, und zwar auf Hochtechnologieniveau. Dadurch fehlen institutionsbedingt teilweise Inhaltsbereiche, die für die spätere berufliche Tätigkeit der angehenden Lehrer*innen wünschenswert wären, wie bspw. klassische Elektroinstallation oder handwerkliche Metallbearbeitung. Dies stellt auch der Stifterverband deutschlandweit fest:

Wenn Lehramtsstudierende der gewerblich-technischen Fachrichtungen die meisten fachwissenschaftlichen Lehrveranstaltungen nur zusammen mit Studierenden der Ingenieurwissenschaften besuchen, dann sind die vermittelten Inhalte wenig zweckdienlich für den späteren Lehrberuf. […] Grundsätzlich ist der fachwissenschaftliche Anteil in Lehramtsstudiengängen für die Sekundarstufe II sehr hoch und ein hohes fachliches Niveau bei den angehenden Lehrkräften auch durchaus notwendig.“ (vgl. Monitor Lehrerbildung 2017, S. 15).

Aufgabe der PH FR in diesen Lehramtsstudiengängen für das Berufliche Lehramt ist es, die Bildungswissenschaften mit Schwerpunkt Berufs- und Wirtschaftspädagogik und insbesondere die fachdidaktische Ausbildung an die ingenieurwissenschaftlich-technischen Inhaltsebenen sinnvoll anzubinden sowie für die Vor- und Nachbereitung der schulpraktischen Phasen eine geeignete Vernetzung mit den Anforderungen der Berufsausbildung am Lernort Schule herzustellen.

Darüber hinaus müssen die Studierenden in allen Bundesländern vor dem Einstieg in den Vorbereitungsdienst (Referendariat) eine 52-wöchige betriebliche Praxis auf Facharbeiterebene nachweisen, die unter anderem auch durch eine einschlägige Berufsausbildung erfüllt werden kann. Liegt diese nicht vor, muss die betriebliche Praxis gesondert absolviert werden, was ggf. studienzeitverlängernd wirkt.

Den daraus resultierenden Gestaltungsnotwendigkeiten widmen sich die Teilprojekte A1 und B1 im Projekt “FACE: Strukturentwicklung und Rekrutierung im Beruflichen Lehramt (gewerblich-technische Mangelfächer)“, kurz: “FACE – Berufliches Lehramt”, mit der primären Ausrichtung auf

  • Steigerung von Kohärenz zwischen den einzelnen Ausbildungsinhalten und -phasen (A1) sowie
  • Entwicklung eines Pilotstudiengangs mit integrierter Berufsausbildung (B1).

Was ist Kohärenz?

In Bezug auf die Ausbildung von Lehrkräften beschreibt der Terminus Kohärenz eine sinnhafte Verknüpfung von Strukturen, Inhalten und Phasen der Lehrerbildung (Hellmann 2019, S. 9). In diesem Zusammenhang ist jedoch herauszustellen, dass diese nicht eindimensional, lediglich innerhalb der einzelnen Lehrbereiche, sondern insbesondere auch inhaltsübergreifend zwischen Fachwissenschaften, Bildungswissenschaften mit Schwerpunkt Berufs- und Wirtschaftspädagogik, Fachdidaktiken und Schulpraktischen Phasen sowie phasenübergreifend bis hin zum Referendariat und der späteren Berufseinstiegsphase zu beachten und kritisch-konstruktiv auszugestalten sind. In diesem Inhalts- und Faktorengefüge ist vornehmlich die innere (primär studiengangbezogene) Kohärenzebene von den Partnern beeinflussbar. Es gilt aber zudem noch eine äußere Kohärenzebene zu berücksichtigen, die sich zwangsläufig einer umfänglichen Variation vor dem Hintergrund einzuhaltender bundes- und landespezifischer Vorgaben der KMK, des Wissenschafts- und Kultusministeriums sowie weiterer staatlicher Stellen entzieht. Darüber hinaus ist die innere Kohärenz in eine vertikale, horizontale und konsekutive Dimension zu differenzieren (vgl. Abb. 1).

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Grafik: Kohärenzebenen und -dimensionen (eigene Darstellung, angelehnt an Hellmann & Zaki 2018, S.363)

Wie bereits dargelegt, ist die äußere Kohärenz nur bedingt beeinflussbar und auch auf der Ebene der inneren Kohärenz sind die zu stärkenden Dimensionen von unterschiedlicher Bedeutung und Ausgestaltbarkeit. Deshalb wurde zuerst ein studiengangspezifisches Kohärenzmodell auf Grundlage bestehender wissenschaftlicher Konzeptualisierungen entwickelt. In einem zweiten Schritt erfolgte dessen Ausdifferenzierung durch Analyse der primären und sekundären Bedeutungen derjenigen Verknüpfungsebenen, die einerseits essentiell für die fachwissenschaftliche Ausbildung und die pädagogische Professionalisierung sind und die andererseits auch tatsächlich durch die am Studiengang beteiligten Institutionen einer Gestaltbarkeit unterliegen. Eine Erfassung des aktuellen „Kohärenzstandes“ erfolgt durch Dokumentenanalysen, empirische Erhebungen bei Studierenden und Lehrenden sowie Expertenrunden. Curriculare und inhaltliche Veränderungen werden erst nach Reflexion des gesamten Datenmaterials konzeptualisiert.

Entwicklung eines Pilotstudiengangs mit integrierter Berufsausbildung

Für das Berufliche Lehramt ist durch die KMK und landesspezifische Regelungen festgelegt, dass vor dem Einstieg in den Vorbereitungsdienst (Referendariat) eine betriebliche Praxis von 52 Wochen nachzuweisen ist (vgl. KMK 2018, S. 2). Diese auf Facharbeiterebene zu absolvierende Betriebspraxis kann in allen Bundesländern auch durch eine einschlägige Berufsausbildung erfolgen. Das Erfordernis einer betrieblichen Praxis(erfahrung) auf Facharbeiterebene lässt sich auch auf Grundlage des durch die Bildungswissenschaften sowie die Didaktik der beruflichen Fachrichtungen herzustellenden „doppelten Gegenstandsbezugs“ begründen. Ein „doppelter Gegenstandsbezug, d. h. ein Bezug sowohl auf die korrespondierenden wissenschaftlichen Disziplinen als auch auf die zielgruppenadäquate berufliche Praxis“ (KMK 2019, S. 6), ist eine Herausforderung im Beruflichen Lehramt.

Die 52 Wochen betriebliche Praxis sind damit ein wesentlicher Bestandteil für die erforderlichen Inbezugnahmen und die Arbeit als Lehrkraft an beruflichen Schulen. Auch der Stifterverband konstatiert, dass eine abgeschlossene Berufsausbildung eine ideale Vorbereitung für die Tätigkeit als Lehrkraft an beruflichen Schulen ist (vgl. Stifterverband 2017, S. 04). Anstelle der abgeschlossenen Berufsausbildung treten jedoch mit „steigender Tendenz [..] mehr als 50 Prozent der Studierenden ihr Studium lediglich mit einer 52-wöchigen Praxiserfahrung an oder erwerben diese parallel zum Studium vor dem Eintritt in den Schuldienst“ (Stifterverband 2017, S. 04). Kritisch wird diesbezüglich herausgestellt, dass eine solche „Praxiserfahrung [..] weder fachlich begleitet noch gezielt ausgerichtet [wird]. Die Bandbreite des betrieblichen Alltags und des Tätigkeitsfeldes eines Berufsbildes werden in den allermeisten Fällen nicht abgedeckt.“ (Stifterverband 2017, S. 04) Durch die fehlende fachliche und pädagogische Begleitung in den separierten Praxisphasen leidet die Qualität der berufspraktischen Tätigkeit insgesamt sowie die dementsprechend notwendigen Erfahrungen und diese können zwangsläufig für den berufsschulischen Unterricht nicht hinreichend differenziert durch die Lehrkräfte erschlossen werden. Um diesem Umstand entgegenzuwirken, empfiehlt der Stifterverband: Deshalb sollte die – bisher als Vorpraktikum zu erbringende – berufspraktische Tätigkeit (durch Verzahnung der anderen Praxisinhalte) in das Studium integriert werden. Sie muss inhaltlich strukturiert und begleitet werden. (Stifterverband 2017, S. 05)

Ziel des Arbeitspaketes B1 ist deshalb die Entwicklung eines Pilotstudiengangs, in welchem den Studierenden die Möglichkeit eröffnet wird, integrativ eine einschlägige Berufsausbildung zu absolvieren und dabei dennoch die Studienzeit von 10 Semestern aufrecht zu erhalten. Dies sollte aus folgenden Erwägungen auf Grundlage des Berufsbildungsgesetzes gelingen:

  • Das Studium bietet ein fachlich hohes Wissen, wodurch den Studierenden das erste Ausbildungsjahr angerechnet werden könnte.
  • Die Berufsabschlussprüfung kann „gestreckt“ werden, wodurch eine zeitlich flexible Ablegung möglich wäre.
  • Das aktuell im Studienverlauf enthaltene ingenieurwissenschaftliche Praxissemester könnte – ohne Verlust an fachlicher Kompetenz – in ein „Berufsausbildungssemester“ geändert werden.

Nach Abschluss des Pilotstudiengangs ist es den Studierenden somit möglich, direkt nach dem Studium in den Vorbereitungsdienst zu wechseln, und zwar mit folgenden Vorteilen:

  • fachlich und pädagogisch begleiteter sowie systematischer Erfahrungs- und Kompetenzaufbau in Bezug auf die Gegenstände, Verfahren und die Arbeitsorganisation beruflicher Facharbeit;
  • Absolvieren einer derart angelegten beruflichen Praxis gemeinsam mit Auszubildenden und dadurch Kennenlernen auch des zukünftigen Schüler*innen-Klientels sowie
  • Ermöglichen einer stärkeren Verknüpfung von theoretischem und praktischem Wissen auch in Bezug auf die originären Inhalte des Studiums.

Einzuhaltende Rahmenbedingungen für den Pilotstudiengang

Die Vorgaben der KMK und des Landes für das Berufliche Lehramt sowie die Regelungen für die Berufsausbildung im industriellen und handwerklichen Bereich sind zu berücksichtigen. Die konkrete Ausgestaltung (Zeiten, Inhalte etc.) des integrativen Teils Berufsausbildung muss zwingend mit den hierfür zuständigen Institutionen, insbesondere der örtlichen Industrie- und Handelskammer (IHK) sowie der Handwerkskammer (HwK), abgestimmt und nach entsprechend flexiblen Gestaltungsmöglichkeiten gesucht werden. Dies erfolgt nach Würdigung der gesetzlichen Vorgaben und Bedingungen sowie nach einer strukturellen und inhaltlichen Konzeptualisierung. Sowohl IHK als auch HwK haben bereits ihre generelle Bereitschaft erklärt.

Prof. Dr. Andy Richter
Prof. Dr. Andy Richter
Lange, Carsten
Carsten Lange, M. Sc.

Weitere Informationen

Am 01.03.2020 ist die dritte Phase der „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ mit dem Schwerpunkt „Berufliches Lehramt“ gestartet. Mithilfe der Förderung, welche die School of Education FACE einwerben konnte, werden am Standort Freiburg in den nächsten Jahren die beruflichen Lehramtsstudiengänge in den gewerblich-technischen Fachrichtungen der Pädagogischen Hochschule Freiburg und der Hochschule Offenburg weiterentwickelt. Durch gezielte Maßnahmen sollen Studierende unterstützt und weitere Studierende für die Fachrichtungen begeistert werden.

Weitere Beiträge zum Thema

Quellen

Hellmann, K. (2019). Kohärenz in der Lehrerbildung. In K. Hellmann, J. Kreutz, M. Schwichow, & K. Zaki, Kohärenz in der Lehrerbildung – Theorien, Modelle und empirische Befunde (S. 9-30). Wiesbaden: Springer VS.

KMK – Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland (2018):
Rahmenvereinbarung über die Ausbildung und Prüfung für ein Lehramt der Sekundarstufe II (berufliche Fächer) oder für die beruflichen Schulen (Lehramtstyp 5). Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 12.05.1995 i. d. F. vom 13.09.2018. Zu finden unter: https://www.kmk.org/fileadmin/Dateien/veroeffentlichungen_beschluesse/1995/1995_05_12-RV-Lehramtstyp-5.pdf (Zugriff am 09.10.2020).

KMK – Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland (2019):
Ländergemeinsame inhaltliche Anforderungen für die Fachwissenschaften und Fachdidaktiken in der Lehrerbildung. Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 16.10.2008 i. d. F. vom 16.09.2019. Zu finden unter: https://www.kmk.org/fileadmin/Dateien/veroeffentlichungen_beschluesse/2008/2008_10_16-Fachprofile-Lehrerbildung.pdf (Zugriff am 09.10.2020).

Monitor Lehrerbildung (2017):
Attraktivität und zukunftsorientiert?! – Lehrerbildung in den gewerblich-technischen Fächern für die beruflichen Schulen. Zu finden unter: https://www.monitor-lehrerbildung.de/export/sites/default/.content/Downloads/Broschuere-Lehrerbildung-in-den-gewerblich-technischen-Faechern_final.pdf (Zugriff am: 04.10.2020).

Stifterverband – STIFTERVERBAND für die Deutsche Wissenschaft e. V. (2017):
Lehrkräftebildung für berufliche Schulen innovieren. Zu finden unter: https://www.stifterverband.org/download/file/fid/5264 (Zugriff am 14.10.2020).