Dr. Hans-Martin Blitz und Lena Drieschner: Die Kunst der Stimme: Rezitation ist Interpretation

Praxiskolleg Ringvorlesung WS 19/20 „Theater und Schule“ am 28.11.2019

Wie Gedichte zum Leben erwachen – Die sechste Runde der Ringvorlesung kennzeichnete sich besonders durch Lena Drieschner, die die Zuhörenden mit ihrer Stimmkraft in den Bann zog. An diesem Donnerstagabend zeigten Lehrerfortbildner Dr. Hans-Martin Blitz und Schauspielerin Lena Drieschner wie ein und dasselbe Gedicht in verschiedenen Facetten aufleuchten kann und so auch Schülerinnen und Schüler die Chance haben die Poesie durch die Kunst der Stimme zu entdecken. 

Gedichten Stimmen geben

Da Reiselyrik als Sternchenthema im Abitur behandelt wird, müssen Lehrkräfte den Schülerinnen und Schülern die Gedichte nahebringen. Anhand verschiedener Gedichte zum Thema Reisen demonstrierten die Referenten, dass durch die Rezitation Zugänge zu Gedichten geschaffen werden. Blitz rät, dass Lehrkräfte Nutzen aus der Schauspielkunst ziehen und von Profis wie Lena Drieschner profitieren können.

Lena Drieschner ist Schauspielerin. Ensemblemitglied am Theater Freiburg von 2009 bis 2017, in vielfältigen Rollen. Seit der Spielzeit 2017/18 arbeitet sie als freie Künstlerin.

Sie spielte die Episodenhauptrolle im Lena-Odenthal-Tatort „Vom Himmel hoch“, und jüngst im Freiburger E-Werk in „Penthesilea. Love is to die“ des Theaterkollektives Bambi Bambule, deren Gründungsmitglied sie ist.

Dr. Hans-Martin Blitz arbeitet als Fachberater und Lehrerfortbildner für das Regierungspräsidium Freiburg und ist Lehrer für Deutsch, Philosophie und Geschichte am Gymnasium Kenzingen.

Gedichte interpretieren

Als Lena Drieschner den Hörsaal mit ihrer Stimme füllte, sah man die Faszination der Zuhörenden in ihren Gesichtern. Jedes Gedicht erhielt von Drieschner einen persönlichen Charakter, den sie mit ihrer Stimme und ihrem Körper entwarf. Für Lena Drieschner ist der Zugang zu einem Gedicht leichter zu finden, wenn sie den Gedanken des Gedichts einfach folgen kann und sich die Fragen stellt, die sich das Gedicht selbst stellt.

Das Gedicht „An das Rennautomobil“ von Filippo Tommaso Marinetti rezitierte Drieschner zweimal und der Unterschied war unglaublich aussagekräftig, trotz desselben Textes. Je nachdem wie Lena Drieschner rezitierte, klang das Gedicht technikbegeistert oder technikkritisch. Ein Problem sieht Lena Drieschner im Sternchenthema Reiselyrik des Abiturformats: Die Gedichte seien sehr männlich geprägt. Das zeige sich vor allem durch die „männliche“ Technikbegeisterung und die Metaphern der Stärke und der Männlichkeit.

Lesetechniken für Schülerinnen und Schüler

Da Schülerinnen und Schüler sich mit Gedichten schwertun, eröffnete Blitz den letzten Teil der Vorlesung mit einer schönen Metapher: Der Zugang zu Gedichten sei ähnlich unangenehm, wie das Freikratzen eines zugeschneiten Autos. Es ist mühsam, aber es lohnt sich. So lässt sich auch die Scheu, die die Schülerinnen und Schüler bei Gedichten verspüren, abbauen. Daher sei es besonders wichtig zu vermitteln, dass ein Gedicht nicht ‚falsch‘ ausgesprochen werden kann. Man sollte den Schülerinnen und Schülern die Angst nehmen und die Botschaft kundtun, dass man Gedichte so sprechen soll, wie man es für sich selbst als richtig empfindet.

„Sinnlos” lesen lernen

Eine Strategie dafür ist das „Sinnlos“-Lesen. Wenn man Schülern und Schülerinnen die Aufgabe gibt alle Wörter in einem Gedicht zu betonen, die unwichtig sind (und, mit, ach, in…), klingt das erstmal witzig. Auf Nicht-Sinn lesen ist eine Methode, die den Schülerinnen und Schülern die Freude an den Gedichten weckt und ihnen die Angst nimmt, falsch zu rezitieren, da es mit Absicht geschieht. Haben die Schülerinnen und Schüler die unwichtigen Wörter markiert, bedeutet das natürlich, dass sie auch die Wörter identifizieren, die wichtig sind. Ersteres macht nur mehr Spaß.

 (Damaris Stein)

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