Umgang mit herausforderndem Verhalten im Unterricht – Dreitägige Fortbildung für Lehrkräfte der Primar- und Sekundarstufe I und II

Das Zentrum für Lehrkräftefortbildung (ZELF) der Pädagogischen Hochschule Freiburg bot im Rahmen der School of Education FACE im Herbst 2019 eine Fortbildung zur Prävention und zu Reaktionsmöglichkeiten bei Verhaltensproblemen von Schüler*innen im Unterricht an. Karl-Heinz Müller (Sonderschulrektor im Ruhestand) gab seine langjährige Erfahrung im Umgang mit Schüler*innen, die eine besondere Betreuung benötigen, in zwei halbtägigen Fortbildungen an der Pädagogischen Hochschule Freiburg und einem weiteren Hospitationstermin an der Mooswaldschule an Lehrkräfte und Studierende der Primar- und Sekundarstufe I und II weiter. Die Teilnehmer*innen erweiterten in der Fortbildung ihr Repertoire für einen konstruktiven Umgang mit Verhaltensproblemen im Unterricht.

Bild 1: Referent Karl-Heiz Müller und Teilnehmer*innen der Fortbildung zum herausfordernden Verhalten

Während viele Lehrkräfte mit den fachlichen Anforderungen im Unterricht gut zurechtkommen, wird störendes, provozierendes und beleidigendes Verhalten von Schüler*innen als besonders belastend erfahren. „Das Thema gehört zu den Themen, die man mit nach Hause nimmt und sich damit noch beschäftigt“, bestätigte eine Lehrkraft der Sekundarstufe 1 und Teilnehmerin. Karl-Heinz Müller (mittlerweile im Ruhestand) gab seine langjährige Expertise als Schulleiter an Sonderschulen für Erziehungshilfe, als Ausbildner am Seminar für Sonderpädagogik sowie Pädagogischer Berater am Schulamt Freiburg im Rahmen dieser FACE-Fortbildung an Lehrkräfte weiter. In den drei halbtägigen Workshops bot er erprobte und z. T. unkonventionelle Handlungsalternativen an, um Unterrichtsstörungen zu minimieren, legte jedoch auch die Notwendigkeit einer Verantwortung der Schulgemeinschaft für den Einzelnen dar.

Inhalte des ersten Termins am 18.10.2019 waren neben den Grundprinzipien des Unterrichts bei Schüler*innen mit emotional-sozialem Förderbedarf auch Verhaltens- und Lernhilfen sowie Beobachtungshilfen im Unterricht zur Vermeidung von Störungen. Die Teilnehmenden erprobten anschließend Teile der vorgestellten Ansätze als Ersthilfe in emotionalen Situationen, logische Konsequenzen sowie paradoxe Intervention als Reaktionsmöglichkeiten in ihrem Schulalltag und reflektierten diese in der zweiten Sitzung am 15.11.2019.

Bilder 2-4: Aktivitätsphasen im Austausch zu Standpunkten, auf dem heißen Stuhl und Reflexion
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Bilder 2-4: Aktivitätsphasen im Austausch zu Standpunkten, auf dem heißen Stuhl und Reflexion

Pädagogische Fallbesprechungen können als Grundlage einer gemeinsamen Verantwortung der Schulgemeinschaft für den Umgang mit emotional / sozial belasteten Schüler*innen an der eigenen Schule umgesetzt werden. Anhand eines gemeinsam ausgewählten Praxisbeispiels zeigte Herr Müller am zweiten Fortbildungstag in Zusammenarbeit mit der Gruppe die Schritte der strukturierten Fallbesprechung auf.

Bild 5: Kartenabfrage (Ausschnitt)

Darüber hinaus sensibilisierte er die Teilnehmer*innen zur Beachtung eigener psychischer Belastungssituationen im Hinblick auf pädagogische Vorgehensweisen und Denkstrukturen der Sonderpädagogik, die er von der therapeutischen Vorgehensweise abgrenzte. Die Beachtung der eigenen Psychohygiene („Welche Verhaltensweisen der Schüler*innen lösen bei mir was aus?“) empfiehlt er als eine grundlegende Voraussetzung für eine erfüllte Berufstätigkeit. Unangemessene Reaktionen können leicht zu psychischen Ausnahmesituationen, Ohnmachtsgefühlen bis hin zum Burn-Out führen. Zum Abschluss des 2. Fortbildungstags sammelte die Gruppe gemeinsam in einer Kartenabfrage Lösungsmöglichkeiten für Situationen, die völlig aus dem Ruder laufen: „Was kann ich bei mir selbst verändern, um mich weniger bedroht zu fühlen? (s. Bild 5: Ausschnitt) Welche Möglichkeiten gibt es in der eigenen Schule und welche Hilfestellungen von außen können mir ggf. helfen?“

Bild 6: Tagesplan zur Hospitation an der Mooswaldschule

Zum dritten Fortbildungstermin lud Herr Müller gemeinsam mit dem Schulleiter Herrn Axel Comes zur Hospitation an die Mooswaldschule ein. Das Sonderpädagogische Bildungs- und Beratungszentrum mit dem Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung (SBBZ ESENT) (früher: Schule für Erziehungshilfe) mit seinem weiten Einzugsbereich wurde zu Beginn vom Schulleiter, Herrn Axel Comes vorgestellt. Anschließend teilten sich die Lehrkräfte nach Klassenstufen auf, um im Rahmen einer Hospitation einen Eindruck von der pädagogischen Arbeit an der Schule zu erhalten. Anschließend reflektierte die Gruppe im Team die Eindrücke. Die an der Fortbildung teilnehmenden Lehrkräfte äußerten sich beeindruckt und positiv überrascht vom „liebevoll-konsequenten“ Umgang miteinander. Herr Comes erläuterte die Rolle der Klassengrößen und des Schulkonzepts, denn nach seiner Überzeugung ist es kein Zufall sondern auf pädagogisches Handeln zurückzuführen, dass Regeln eingeübt werden und der Unterricht stattfinden kann. Die individuelle Betreuung ermöglicht über jeden Schüler und seine individuellen Reaktionsweisen informiert zu sein. Transparenz und zuverlässiges Handeln sind grundlegende Maßstäbe für den Umgang miteinander.

Ich muss mir meines Handelns bewusst sein, um es ändern zu können“, ist einer der Grundsätze, mit denen in der Schule gearbeitet wird, erläuterte Axel Comes. „Natürlich spielt dabei eine Rolle, dass jede/r seine eigene Geschichte und Tagesform hat und man als Person wahrgenommen und geschätzt wird. Dies schließt auch die Elternarbeit mit ein“, führte Herr Comes im Reflexionsgespräch seine Perspektive aus.

Ich durfte in einer vierten Klasse hospitieren. Die Lehrerin gestaltete mit den acht Schülern in dieser Zeit u.a. einen sehr besonderen Adventskalender. Aufgabe der Schüler war es, sich jeweils einen Mitschüler auszusuchen und diesem ein wertschätzendes Feedback zu schreiben. Eine Karte durfte ich lesen und das Geschriebene hat mich sehr berührt. Ein solches Feedback würde ich mir auch einmal wünschen. Das tut schon allein mir beim Lesen gut und wird den Schülern sicher noch viel Freude bereiten.“, berichtete eine Teilnehmerin.

Bild 7: Nach der Unterrichtshospitation im Reflexionsgespräch mit dem neuen Schulleiter Axel Comes und dem alten Schulleiter und Referenten K.-H. Müller.

Im weiteren Verlauf der Diskussion erläuterten Herr Comes und Herr Müller dann außerdem das Verfahren, den Förderbedarf des Kindes festzustellen und stellten heraus, dass Lehrkräften an ihrer Einrichtung neben der sehr spezialisierten Ausbildung insbesondere Eigenschaften wie Geduld, Humor, Konfliktfreudigkeit und der Blick für den kleinen Fortschritt wichtig sind.

Die Fortbildung „Umgang mit herausforderndem Verhalten im Unterricht“ wurde veranstaltet vom Handlungsfeld „Praxisvernetzung und Weiterbildung“ im Rahmen der School of Education FACE der Pädagogischen Hochschule, Albert-Ludwigs-Universität und Musikhochschule Freiburg.

(Dr. Martina von Gehlen)

Weitere Informationen

Karl-Heinz Müller gab bereits am 10.01.2019 im lehramtsspezifischen Mentoring-Projekt einen Workshop mit Hospitationsmöglichkeit für Lehramtsstudierende.

Die nächste Fortbildung startet am Freitag, dem 14.02.2020 (14 bis 18 Uhr) an der Pädagogischen Hochschule Freiburg. Die Anmeldung finden Sie auf der Webseite des Zentrums für Lehrkräftefortbildung (ZELF).

Links

Webseite der Mooswaldschule

Fortbildungen für Lehrkräfte vom Zentrum für Lehrkräftefortbildung (ZELF) der Pädagogischen Hochschule Freiburg im Rahmen der School of Education FACE

Literaturempfehlungen

Als praxisorientierte Literaturempfehlung kann Herr Comes den Leser*innen und TeilnehmerInnen die Büchlein aus der Serie “Spickzettel für Lehrer” wärmstens ans Herz legen aus dem Carl Auer Verlag.

Hier seien folgende Bände passend zum Thema hervorzuheben:

  • Bruno Körner, Martin Lemme Neue Autorität“ in der Schule. Präsenz und Beziehung im Schulalltag. 4. Auflage 2019
  • Anton Hergenhan: Keine Beleidigungen mehr!: Respektvolles Miteinander im Unterricht. 2014
  • Gabriele Warkus: Lehren in Balance. Strategien gegen Stress und für mehr Wohlbefinden im Schulalltag. 2014
  • Stephanie Harkcom: Unterrichtsstörungen meistern. Reframing im Klassenzimmer. 2. Aufl. 2019

Desweiteren empfiehlt er aus dem gleichen Verlag die Bücher aus der Reihe “Systemische Pädagogik”